Das Beatmungsgerät hat die Flucht überstanden

„Die Sonderausstellung Unbekannte Mitbürger – Leben und Alltag von Geflüchteten in Lahr“ im Stadtmuseum zeigt auch eines: Die geflüchteten Menschen haben in ihrer Heimat Hab und Gut zurücklassen müssen und auf ihrer Flucht auch noch das ein oder andere verloren. Oft sind es mehr oder weniger alltägliche Dinge, die sie auf ihrem Fluchtweg nach Lahr retten konnten. Riad Alsaleh aus Syrien, 40 Jahre alt, und seine Familie – Safaa Alahmad, 36, Seba Alsaleh, 9, Maria, 7, Yamen, 5, Jahre und Omar Alsaleh, 3 Jahre alt – haben ein Beatmungsgerät mit nach Lahr gebracht, und Turnschuhe. Riad Alsaleh erzählt:

„Ich arbeitete als Vermessungstechniker für eine große Firma in Der Al Zoor. Von 2011 bis 2012 sind wir umgezogen wegen des Kriegs. Meine Stadt war die erste, die ganz zerstört wurde. Es wurde übrigens nie in den Nachrichten erwähnt. Da meine Tochter Maria ins Krankenhaus musste, sind wir in die Türkei weitergezogen. Dort, mietete ich eine Wohnung und wir blieben zwei Jahre wegen Marias Krankheit.


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

In der Sonderausstellung im Stadtmuseum ist neben Gegenständen von Geflüchteten und vielen anderen Dingen auch eine Sitzecke zu sehen – mit Büchern rund um das Thema Migration.


Nach Europa, um Maria zu helfen

Da ihr Aufenthalt im Krankenhaus aber sehr viel Geld kostete, mussten wir nach drei Monaten ausziehen und lebten von da an in einem Zelt bis 2015. Mit kleinen Jobs konnten wir, meine Familie und ich, uns über Wasser halten. Es ging Maria aber sehr schlecht, die Diagnose lautete Down Syndrom mit Autismus. Die Ärzte sagten uns, dass sie bald sterben würde.

Ich konnte nicht zurück nach Syrien. Eine rumänische Freundin sagte mir, ich müsste nach Europa, um Maria zu retten. Meine Frau hatte Goldschmuck und meine Freundin auch, und mit dem Verkauf dieser Juwelen haben wir die Reise bezahlt.

Auch Marias Beatmungsgerät ist in der Ausstellung im Stadtmuseum zu sehen. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Auf halber Strecke ging der Bootsmotor aus

Wir sind mit dem Bus nach Bodrum in den Westen von der Türkei gefahren. Wir sind dort zwölf Tage geblieben. Wir schliefen auf dem Boden. Wir hatten nicht genug Geld für die Überfahrt nach Griechenland aber der Bootsführer einigte sich mit uns wegen Maria und ich zahlte ihm nur 9000 Euro. Unsere Gruppe bestand aus 70 Personen in einem Plastikboot. Auf halber Strecke ging der Motor aus. Alle hatten viel Angst und regten sich auf, weil das Meer sehr unruhig war und die Wellen sehr hoch.

Wir wurden hin und her geschüttelt. Nur Maria lachte. Ich half dem Bootsführer beim Ziehen und plötzlich sprang der Motor wieder an. Wir erreichten die griechische Insel Kaliminos nach zweieinhalb Stunden. Die Küste war sehr felsig und der Weg sehr schwer zu laufen. Wir hatten weder Essen noch Wasser bei uns, ich hatte meine Schuhe und alle anderen Sachen im Wasser verloren. Nur das Beatmungsgerät von Maria konnten wir retten.

Riads Schuhe sind das Geschenk eines alten griechischen Mannes. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

„Wir schliefen auf dem Boden“

Auf der Insel gab es keinen richtigen Weg, nur Steine. Wir liefen drei bis fünf Kilometer. Wir hörten das Geräusch von Schafen und entdeckten ein Dorf. Von dort an gingen wir weiter nach Kaliminos, der Hauptort auf der Insel. Meine Familie hatte überhaupt nichts mehr. Meine Zigaretten waren alle nass und schmeckten furchtbar salzig. Wir blieben 13 Tage. Wir schliefen auf dem Boden.

Ein alter Mann in einem Mercedes fuhr an mir vorbei und sagte auf Englisch: “Hello brother, can I help you, what do you need?”. – „Hallo Bruder, kann ich Dir helfen, was brauchst Du?“ Eigentlich war mir die Situation peinlich, da ich früher, vor dem Krieg, derjenige war, der anderen half. Hier war alles umgekehrt. Aber ich musste an meine Familie denken. Also habe ich seine Hilfe akzeptiert. Dieser Mann hat uns dann zu seinem Haus gebracht und hat uns etwas zu essen und trinken gegeben. Milch, Brot und Geld hat er uns jeden Tag gegeben.

Hilfe von einem alten Mann

Nach einer Woche merkte der Mann, dass ich keine Schuhe trug, er fuhr weg und kam zurück mit ein Paar neuen Schuhen. Die habe ich immer noch. Leider habe ich den Namen dieses Mannes vergessen.


Die Sonderausstellung im Stadtmuseum geht dem Ende entgegen. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr
  • Die Ausstellung ist noch bis zum 10. November im Stadtmuseum zu sehen, mittwochs bis sonntags, jeweils 11 bis 18 Uhr.
  • Einen ausführlichen Bericht zur Eröffnung der Ausstellung gibt es auf der Website des Freundeskreises.
  • Der Ausstellungs-Flyer des Stadtmuseums informiert auch über das umfangreiche Begleitprogramm zur Sonderausstellung.
  • In der Presseinformation der Stadt gibt es weitere Informationen.
  • Auf der Website der Stadt gibt es weitere Informationen über das Stadtmuseum.
  • Auch die Lokalpresse berichtet über die bevorstehende Vernissage der Ausstellung: Badische Zeitung und Lahrer Anzeiger.
  • Über die Eröffnung der Ausstellung berichten Lahrer Zeitung und Lahrer Anzeiger.
  • Eine Besprechung der Ausstellung gibt es in der Badischen Zeitung.