Flüchtlingshelferin Silvia Boniface setzt auf Musik, Essen und Kultur

Flüchtlingshelferin Silvia Boniface setzt auf Musik, Essen und Kultur bei ihrem ehrenamtlichen Engagement für die Migranten in der Stadt Lahr. Heimfried Furrer, einer der Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr, hat ein Porträt über sie geschrieben.

Silvia Boniface-Anyanwu ist eine der drei Frauen im sechsköpfigen Sprecherteam des Freundeskreises. In dieser Funktion repräsentiert sie den Freundeskreis nach außen, ist Ansprechpartnerin für die Ehrenamtlichen, für die Profis in den Ämtern und karitativen Organisationen, aber auch für Außenstehende, die ein Anliegen oder Fragen haben. Von Fall zu Fall vermittelt sie diese dann weiter an die passenden „Experten“.


Titelfoto: Evangelische Erwachsenenbildung Ortenau

Silvia Boniface-Anyanwu (Dritte von links) ist auch beim Projekt Heimatküche aktiv mit dabei.


„Wirtin“ im Internationalen Café

Mit ihren Sprecherkolleginnen und -kollegen trifft sie sich regelmäßig vor den monatlichen Treffen des Freundeskreises im Gasthaus zum Zarko und bereitet diese vor. Weit über diese administrativen Aufgaben hinaus gilt ihr Engagement aber natürlich vor allem den Flüchtlingen.

Silvia Boniface-Anyanwu (Zweite von rechts) ist Mitglied im Team des Internationalen Cafés, nachdem Sana Ahmad Hussein Alyaaqubi (Zweite von links) die Leitung abgegeben hat; mit dabei auch Katharina Lindner (links) und Sophia Stappel (rechts), die inzwischen Integrationsmanagerin bei der Stadt Offenburg ist. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

 

Als Nachfolgerin von Sana Ahmad Hussein Alyaaqubi ist sie, zusammen mit Katharina Lindner von der Evangelischen Erwachsenenbildung Ortenau und Britta Muth vom Lahrer Begegnungshaus, die Betreiberin und sozusagen die „Wirtin“ des Internationalen Cafés, der Anlaufstelle für Menschen aus aller Welt, die sich gerne mit anderen austauschen, die Beratung oder Anschluss suchen. „Immer kommt jemand, der etwas möchte, und immer gibt es jemand, der es hat,“ sagt Silvia und freut sich über den regen Besuch von Flüchtlingen und Einheimischen, und zwar in ausgewogener Mischung. Und sie ist auch erfreut über den Besuch von Hauptamtlichen, die Flüchtlinge hierher begleiten oder die den Austausch mit Ehrenamtlichen suchen.

Aktiv in der „Heimatküche“

Damit erschöpft sich die Liste ihrer Tätigkeiten bei weitem noch nicht: Zusammen mit Katharina Lindner von der Evangelischen Erwachsenenbildung betreibt Silvia die „Heimatküche“, regelmäßig mit mindestens 30, teilweise bis zu 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die gerne einheimische und internationale Gerichte kochen und sie anschließend in geselliger Runde genießen. Silvia ist als „Chefköchin“ für die kulinarische Seite der Veranstaltung zuständig. Auch beim Lahrer Suppenfest führte diese Kooperation zu köstlichen Ergebnissen.

Silvia glaubt, ihre Liebe zum Kochen und ihr Können auf diesem Gebiet liege gewissermaßen in ihren Genen. Sie sagt: „Meine Oma hatte ein Gasthaus, und von klein auf habe ich keine Scheu vor großen Töpfen und einen Hang zur Geselligkeit.“

Ist für die orientalische Küche zu haben: Silvia Boniface-Anyanwu (rechts) – Foto: Evangelische Erwachsenenbildung Ortenau

Orientalische Küche

Als Schülerin für orientalischen Tanz kam sie mit der orientalischen Küche in Berührung. Danach, durch ihre Ehe mit einem Afrikaner, lernte sie die afrikanische Küche kennen. Sie ist seit 15 Jahren im Organisationsteam des African-Music-Festivals in Emmendingen und hat während der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika in einem Kooperationsprojekt mit der Lahrer Volkshochschule begonnen, Kochkurse zu geben.

„Nur Afrikanisch war mir dann zu langweilig“, sagt Silvia Boniface-Anyanwu. Also bot sie bald auch orientalische, indische und karibische Koch-Abende an. Immer unter dem Motto: Gemeinsam kochen und genießen. Ihre Erkenntnis: Über das Essen interessieren sich Menschen für andere Kulturen und bauen Vorurteile ab.

Auch Musik ist angesagt

Und darüber hinaus befasst sich Silvia mit anderen Formen der Geselligkeit, insbesondere mit Musik. Unter der Projektreihe „Musik verbindet Kulturen“ der Evangelischen Erwachsenenbildung (EEB) gibt es die „Jammy“, wie sie die Jam Time in der Smyle-Art-Lounge im Zeit-Areal nennt. Die Jam-Time ist ein Produkt ihrer Zusammenarbeit mit Simone Müller, Betreiberin der Art-Lounge, Katharina Lindner (EEB) und anderen Musikfans, die sich bei diesen offenen Jam-Sessions treffen.

Auch internationale Musik ist bei Silvia Boniface-Anyanwu angesagt. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

 

„Musik, Essen, Kultur“ – so umreißt Silvia das Spektrum ihrer hauptsächlichen Interessen und ist bei allen Festen an vorderster Stelle mit dabei. Neben, oder besser, in natürlicher Verbindung mit ihren geselligen Engagements gilt ihr Interesse auch den einzelnen Flüchtlingen, die sie berät und unterstützt.

Kampf gegen Windmühlen

Schon immer an Menschen anderer Kulturen interessiert, hat sie durch ihre frühere Ehe die Ressentiments mancher Einheimischer und die Diskriminierung der Migranten erlebt und mit ihnen unter den teilweise äußerst negativen Erlebnissen mit Behörden gelitten. „Ein Kampf gegen Windmühlen“, so erlebte sie oft die Hilflosigkeit von Menschen ohne Bleibeperspektive, eingeschränkt in ihren Möglichkeiten und ihrer Bewegungsfreiheit und geprägt von Angst.

Silvia Boniface-Anyanwu (links) ist auch im sechsköpfigen Sprecherteam des Freundeskreises vertreten. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

 

Und es beglückt sie, mit Menschen in eigentlich ausweglosen Situationen Positives zu erleben und deren Leben ein klein wenig angenehmer zu machen. „Diese Menschen sind für ganz wenig so dankbar“, sagt sie und fühlt in ihrem „Leben im Überfluss“ die Verpflichtung zum Helfen – Sivia Boniface-Anyanwu lebt momentan vom Arbeitslosengeld.

Ausgeprägte Idealistin

Sie ist eine ausgeprägte Idealistin: „Die Arbeit der Ehrenamtlichen für das Miteinander, das Lernen voneinander, von Menschen verschiedener Kulturen ist ein Beitrag zum Weltfrieden und macht die Welt lebenswerter.“ Das ist ihr Credo und ihre starke Motivation. „Es geht nur miteinander, und das in allen Lebensbereichen und Kulturen, betont sie.

Beim Adventstreff auf dem Schlossplatz: Silvia Boniface-Anyanwu hält die Fahne des Freundeskreises hoch – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

 

Silvia ist aber auch kritisch genug, um manche Entwicklungen und Tendenzen skeptisch zu betrachten. Einheimischen, die eine Liebesbeziehung mit Geflüchteten eingehen, gibt sie den Rat, wachsam und sich der Tatsache bewusst zu sein, dass Menschen aus anderen Kulturen „anders ticken“ und dass es unrealistisch sei zu glauben, man könne den Partner leicht kulturell „umpolen“. Eine Bereitschaft, sich mit der anderen Kultur intensiv auseinanderzusetzen, sei notwendig ebenso wie der Wille, eigene Denkweisen und Richtlinien aus dem Blickwinkel des Partners zu sehen, und zu verändern. „Wer sagt denn, dass unsere Denkweise die einzig richtige ist?“

Klare Vorstellungen

Als sehr positiv empfindet sie die Zusammenarbeit mit den hauptamtlichen Stellen vor Ort. Auf Ebene der Behörden an oberster Stelle vermisst sie oft die Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit und ein offenes Ohr für die Erfahrungen der Ehrenamtlichen, die wie selbstverständlich zur Entlastung der Profis in Anspruch genommen werden. „Schön wäre es, wenn unsere Kenntnisse und Einwände bei Entscheidungen gefragt wären“, gibt sie zu bedenken. Und: „Da sitzen wir Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit mit den Hauptamtlichen im selben Boot.“

Silvia Boniface-Anyanwu (links): Eine Ehrenamtliche im Gespräch mit der hauptamtlichen Sozialarbeiterin Bettina Waidele – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

 

Silvia Boniface-Anyanwu hat klare Vorstellungen von  ihrer Zukunft. Ihr schon immer vorhandenes Interesse für Psychologie wurde verstärkt durch ihre Arbeit in der Flüchtlingshilfe. Sie sieht die Notwendigkeit, dass die Helferinnen und Helfer stärker sensibilisiert werden müssen für Verhaltensauffälligkeiten. „Das Seminar über Traumata bei Flüchtlingen hat meine Überzeugung verstärkt, dass wir das Unverständnis vieler Leute, gerade auch bei den Behörden, für die Notwendigkeit der therapeutischen Unterstützung für alle Menschen in psychischer Not aufbrechen müssen“, sagt sie.

Silvia hat übrigens vor kurzem eine Ausbildung zur psychologischen Heilpraktikerin begonnen.