Gedicht

Der Rhein, die Völkermühle

Da war ein römischer
Feldhauptmann, ein schwarzer
Kerl, braun wie ne reife Olive,
der hat einem blonden
Mädchen Latein beigebracht.
Und dann kam ein jüdischer
Gewürzhändler in die Familie,
das war ein ernster Mensch,
der ist noch vor der Heirat
Christ geworden. Und dann
kam ein griechischer Arzt dazu,
oder ein keltischer Legionär,
ein schwedischer Reiter, ein
Soldat Napoleons, ein
wandernder Müllerbursch vom
Elsaß, ein dicker Schiffer aus
Holland, ein Magyar, ein Offizier
aus Wien, ein französischer
Schauspieler, ein böhmischer
Musikant – das hat alles am Rhein
gelebt, gerauft, gesoffen
und gesungen und Kinder
gezeugt – Und warum? Weil
sich die Völker dort vermischt
haben. Vermischt – wie die
Wasser aus Quellen und
Bächen und Flüssen, damit sie
zu einem großen, lebendigen
Strom zusammenrinnen.

aus „Des Teufels General“ von Carl Zuckmayer

zurück