Humans of Lahr gibt Flüchtlingen ein Gesicht

Kennt Ihr schon die Facebook-Seite Humans of Lahr, fragt David Schaller in einer Rund-Mail an die Mitglieder des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr an. „Wenn nicht, schaut Euch die Seite unbedingt einmal an. Das ist wirklich eine klasse Initiative“, schreibt Schaller weiter. Er ist einer der sechs Sprecherinnen und Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr.

Die Facebook-Seite Humans of Lahr ist Anfang des Jahres 2016, also auf dem Höhepunkt der Zuwanderung von Flüchtlingen auch nach Lahr, online gegangen. Dort werden in der Stadt lebende Asylbewerber vorgestellt. Die Flüchtlinge beschreiben ihre Flucht und die Gründe dafür, sie sprechen über ihre Wünsche und Träume in Deutschland. Ins Leben gerufen hat die Seite Carolin Ströbel, die eine Ausbildung zur Hebamme macht und sich nebenbei im Freundeskreis Flüchtlinge Lahr engagiert.


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Auf der Facebook-Seite Humans of Lahr werden die Lebensgeschichten von Flüchtlingen erzählt.


Die Seite will den Lahrern die Flüchtlinge in ihrer Stadt nahe bringen, sagt Carolin Ströbel zu ihrem Projekt. „Sie will einzelne Flüchtlinge mit ihren Talenten, ihren Fähigkeiten, ihrem Werdegang, ihrem Beruf vorstellen. Sie soll zeigen, dass es Menschen sind mit Werten, mit einer Geschichte – und eben Flüchtlinge, die nicht kriminell sind oder Stereotypen entsprechen“, betont sie in einem Interview mit der Badischen Zeitung.

„Jeder von uns hat mit Flüchtlingen zu tun und viele von uns pflegen mittlerweile gute Freundschaften zueinander“, ergänzt David Schaller. Und im Hinblick auf Humans of Lahr meint er: „Wir haben hier eine wunderbare Möglichkeit, unseren Freunden und ihren Geschichten ein Gesicht zu verleihen und sie ,fühlbar‘ zu machen.“ Die Geschichten hätten bisher eine große Resonanz gefunden. Er regt die ehrenamtlichen Helfer deshalb an, weitere Geschichten anzustoßen.

An der Ortenauer Kreisputzete haben sich im Jahr 2016 auch etliche Lahrer Flüchtlinge beteiligt, die von Ehrenamtlichen des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr begleitet wurden, wie hier von Herbie Wickertsheim (Zweiter von links); Carolin Ströbel hat das auf Facebook gepostet. – Foto: Carolin Ströbel

 

Eine dieser Geschichten erzählt Buzurgmeher Haidari (27), der in der Stadt Takhar in Afghanistan geboren worden ist. Hier einige Auszüge, der vollständige Text steht auf Humans of Lahr:

„In Masar-e Scharif habe ich acht Jahre lang intensiv mit verschiedenen, meist deutschen oder amerikanischen Vertretern der internationalen Streitkräfte zusammengearbeitet.

Eines Tages ging ich mit meiner Frau auf einem kleinen Berg spazieren, als wir in weiter Ferne auf einem gegenüberliegenden Felsen zwei Männer sahen. Sie feuerten eine Kugel aus ihrem Gewehr ab, was in Afghanistan leider nichts Unübliches ist. Erst als ich das Pfeifen der Kugel vernahm, die an uns vorbei flog, wusste ich: Die haben auf uns geschossen.

Später erfuhr ich, dass das eine Warnung für mich hatte sein sollen. Die Männer hatten absichtlich nur eine Kugel abgefeuert und mich absichtlich verfehlt. Die Botschaft war: “Wir haben dich im Visier”. Ich stand zwar unter dem Schutz eines Sicherheitsdienstes – jedoch konnte auch dieser nicht mehr für meine Sicherheit garantieren. Nach diesem Vorfall legte man mir von allen Seiten her nahe, mein Land zu verlassen, wenn mir mein Leben lieb sei.

Buzurgmeher Haidari (27) aus Afghanistan – Foto: Carolin Ströbel

 

Aufgrund unserer Zusammenarbeit mit der deutschen Bundesregierung und in Anbetracht meiner prekären Situation wurden meine Frau und ich schon bald dazu eingeladen, als sogenannte Kontingentflüchtlinge nach Deutschland zu kommen.

Die Entscheidung, meine Heimat zu verlassen, war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Denn in Afghanistan hatte ich ein gutes Leben. Ich hatte einen großartigen Job, viele Freunde, meine Familie und eine wunderbare Frau. Ich hatte mein sechsjähriges Medizinstudium auf der Aria Universität in Masar-e Scharif erfolgreich hinter mich gebracht und so viele Pläne für meine Zukunft. Für Afghanistans Zukunft.

Derzeit bin ich im Dialog mit Sophia Stappel von der Stadt Lahr, und träume davon ein Zentrum von Flüchtlingen für Flüchtlinge zu gründen. Das Projekt steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber mein Konzept steht schon.“

Buzurgmeher Haidari

 


  • Das Interview mit Carolin Ströbel gibt es hier.
  • Humans of Lahr gibt es bei Facebook, aber auch auf einer eigenen Website.