Gerangel um die Lahrer Integrationsstelle

Dem Freundeskreis Flüchtlinge Lahr war Ende September 2025 zu Ohren gekommen, dass die Stelle der Integrationsbeauftragten der Stadt Lahr vom neuen Jahr an halbiert werden soll. Entsprechende Überlegungen gab es in der Stadtverwaltung. Das hat die haupt- und ehrenamtlichen Flüchtlingshelferinnen und -helfer auf den Plan gerufen. Die Diakonie hatte sich umgehend an die Fraktionen im Gemeinderat gewandt, um das zu verhindern.

Der Freundeskreis sammelte ebenfalls Argumente gegen dieses Ansinnen und schrieb sie in einem Papier auf, das Anfang November an die demokratischen Fraktionen im Gemeinderat ging. Zwei Flüchtlingshelferinnen, Waltraud Stark und Steffi Kempchen, suchten zudem das persönliche Gespräch mit einzelnen Stadträtinnen und -räten. Das Argumentationspapier ging auch an Sozialbürgermeister Guido Schöneboom. Innerhalb weniger Tage war bei der Stelle zunächst von 75 Prozent die Rede, dann wieder von 100 Prozent.


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge

Das Begegnungshaus auf dem Urteilsplatz ist gewissermaßen der „Amtssitz“ der Integrationsbeauftragten.


Hier das Argumentationspapier des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr:

„Man kann es drehen und wenden, wie man will. Die Halbierung der Stelle der Lahrer Integrationsbeauftragten ergibt keinen Sinn. Sie schadet nur der Integration, den Haupt- und Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe sowie der ganzen Stadtgesellschaft, meint der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr. Hier seine Stellungnahme:

Die Stadt spricht von Überforderung

Im Positionspapier der Stadt Lahr zu einer vom Land Baden-Württemberg ins Auge gefassten Erstaufnahmestelle (EA) für Flüchtlinge vom Juni 2025 heißt es, die Grenzen des Leistbaren seien erreicht, teilweise sogar überschritten. Die Stadtverwaltung spricht sogar von Überforderung. Die entsprechende Passage im Wortlaut:

„2025 ist zu konstatieren, dass die Grenzen des Leistbaren nicht nur erreicht, sondern in Teilbereichen überschritten sind. Lahr hat sich in den vergangenen Jahren augenscheinlich und spürbar verändert. Der überproportionale Zuzug von Menschen mit ausländischen Wurzeln zeigt sich nicht nur im Stadtbild, sie ist an der Zusammensetzung der Stadtgesellschaft ablesbar und dokumentiert eine grundlegende Verschiebung . . . Der Ausländeranteil liegt mit 24 % fast 8 % über dem Durchschnitt im Ortenaukreis. Diese Entwicklung verläuft zu schnell; die religiöse, ethnische bzw. kulturelle Vielfalt wird immer größer und der sozialen Integration fehlt es vielfach an den notwendigen Ressourcen, um auf die sich immer mehr abzeichnende Schieflage adäquat reagieren zu können. Eine wachsende Überforderung ist zu verzeichnen.“

Um ihre Stelle geht es: Charlotte Morton – Foto: privat

In diesem Papier räumt die Stadt auch ein: Der sozialen Integration von Migranten fehle es an Ressourcen. Wenn man die entsprechenden personellen Ressourcen von Städten ähnlicher Größe wie Lahr, aber mit einem deutlichen geringeren Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, betrachtet, ist festzustellen, dass Kommunen andernorts mit Personal in vielen Fällen besser ausgestattet sind als Lahr.

Nichtsdestotrotz soll die derzeitige Vollzeitstelle der städtischen Integrationsbeauftragten von Januar 2026 an halbiert werden. Dabei müssten diese Integrationsressourcen – nimmt man die Erkenntnisse der Stadtverwaltung ernst – wohl eher aufgestockt werden. Das aber ist wohl aufgrund der finanziellen Lage der Stadt derzeit eher unrealistisch. Es gibt aber eine einfache Lösung.

Förderung der Stelle über 2025 hinaus

Die Stadtverwaltung müsste nur einen Förderantrag beim Land Baden-Württemberg stellen, wie sie das schon häufiger in der Vergangenheit getan hat. Dann würde die Stelle der Integrationsbeauftragten auch über 2025 hinaus mit 20 000 Euro pro Jahr gefördert – vom Land allerdings begrenzt bis 2028.

In der Stadtverwaltung gibt es aber Überlegungen, den Förderantrag nur noch für die Hälfte der Mittel zu stellen. Die Stelle der Integrationsbeauftragten wäre künftig also nur noch eine Halbtagsstelle – und das angesichts der von der Stadtverwaltung selbst beschriebenen, dramatischen Lage bei der Integration von Migranten.

Das Begegnungshaus ist einer von zwei Standorten des Mehrgenerationenenhauses. – Fotos: Freundeskreis Flüchtlinge

Personaleinsparung nur bei der Integration

Die Förderung nur noch für eine halbe Stelle zu beantragen bedeutet: Die Stadtverwaltung verzichtet freiwillig auf Fördergelder vom Land in Höhe von insgesamt 30 000 Euro (dreimal 10 000 Euro für die Jahre 2026 bis 2028). Die Einsparungen im städtischen Haushalt blieben dagegen überschaubar.

Bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2026 waren Personal-Einsparungen in der Lahrer Verwaltung bislang allerdings kein Thema. Maßgabe war lediglich, eine Aufstockung beim Personal zu vermeiden. Einzig die Stelle der Integrationsbeauftragten ist nun aber von Einsparungen betroffen. Dabei geht es in diesem Fall keineswegs um keine Aufstockung, sondern allenfalls um eine Fortführung des derzeitigen Zustands über das Jahr 2025 hinaus.

Fragen, die sich stellen

Angesichts der Überlegungen in der Stadtverwaltung, die Stelle der Integrationsbeauftragten zu halbieren, seien folgende Fragen erlaubt: Ist die Lage in Sachen Integration in der Stadt entgegen der dramatischen Äußerungen im EA-Positionspapier möglicherweise nur halb so schlimm? Ist die beabsichtigte Halbierung der Stelle damit zu erklären? Oder gibt es noch andere Gründe?“

Das Begegnungshaus

Nun doch wieder 100 Prozent

Eine Antwort auf diese Fragen gab es bislang nicht. Aber folgendes passierte: Anfang November 2025 hatte Guido Schöneboom, der Sozialbürgermeister, eine 75 Prozent-Stelle in Aussicht gestellt. Ein paar Tage später, am Mittwoch, 12. November 2025, äußerte er sich gegenüber der Presse folgendermaßen zum Thema: „Es bleibt bei 100 Prozent für die Stelle der beziehungsweise des Integrationsbeauftragten“.

In der monatlichen Versammlung der Freundeskreises Flüchtlinge Lahr am gleichen Tag bot diese Aussage Spielraum für Interpretationen. Die wahrscheinlichste: Die 100 Prozent verteilen sich auf eine weibliche Integrationsbeauftragte und einen männlichen Integrationsbeauftragten. Und so schließt sich der Kreis, denn auch auf diese Weise wäre die Stelle der Integrationsbeauftragten halbiert.

Weitere Informationen

  • Die Badische Zeitung berichtet am 13. November 2025 über das Gerangel um die Stelle der Integrationsbeauftragten.
  • Am gleichen Tag gibt es von der BZ auch noch einen Kommentar zum Thema