Eine Lösung im Kreistag oder vor Gericht: Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr will sich gegen die Erhöhung von Wohngebühren in Gemeinschaftsunterkünften zur Wehr setzen, politisch oder juristisch. Worum geht es? Einzelpersonen, die mehr als 917 Euro netto im Monat verdienen, müssen vom Jahr 2019 an 386 Euro statt bisher 245 Euro im Monat zahlen. Der Freundeskreis bezeichnet das als Wucher.
In der Januar-Sitzung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer hat sich eine große Mehrheit der etwa 30 Anwesenden dafür ausgesprochen, auf politischer Ebene aktiv zu werden. Dorothee Granderath stellte in der Sitzung zudem einen Antrag der Fraktion der Grünen im Kreistag in Aussicht, mit dem Ziel, die Gebühren für die Unterbringung von Einzelpersonen im Rahmen zu halten. Der Antrag wurde inzwischen auf den Weg gebracht. Des weiteren, so das Resultat der Sitzung, wolle man sich mit der Flüchtlingshilfe Rebland aus Offenburg zusammentun, die sich auf eine juristische Auseinandersetzung vorbereitet.
Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr
Erhöhung von Wohngebühren in Gemeinschaftsunterkünften: Der Freundeskreis spricht von Wucher.
Gebührenbescheid anfechten
Diesen Weg hat Heimfried Furrer, Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr, so beschrieben: Ein in einer Unterkunft des Kreises wohnender Geflüchteter muss seinen Gebührenbescheid anfechten und, wenn der Kreis den Bescheid nicht zurücknimmt beziehungsweise ändert, vor dem Verwaltungsgericht dagegen klagen. Die Chancen, dort Recht zu bekommen, sind gegeben, aber nicht sicher. „Das in der Januar-Sitzung erwähnte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts gilt nicht für unsere Fälle, kann den Richtern aber eventuell Anhaltspunkte bieten“, so Heimfried Furrer. Und die Tatsache, dass bei einem Mietvertrag wohl Wucher vorliegen würde, könne ebenfalls als Argument verwendet werden, wenn es wohl auch nicht möglich sei, diesen zivilrechtlichen Gesichtspunkt direkt analog in einem Verwaltungsrechtsfall anzuwenden.
Und weiter: „Hat der Kläger Erfolg, gilt das Urteil nur für diesen Fall und nicht automatisch für alle gleichgearteten“, so Heimfried Furrer. Es sei allerdings anzunehmen, dass der Kreis die als zu Unrecht erhoben erklärten Gebühren von anderen Geflüchteten erheben werde. Jeder Betroffene könne dann erfolgreich klagen.
„Gute Chancen auf Erfolg“
Inzwischen haben Mitglieder des Lenkungskreises der Flüchtlingshilfe Rebland ein Gespräch mit einem Rechtsanwalt geführt und dabei den Eindruck gewonnen, dass eine Klage auf Normenkontrolle gute Chancen auf Erfolg habe. Allerdings gebe es keine Erfolgsgarantie.
Vor einer endgültigen Entscheidung über eine Klage würden aber weitere Informationen benötigt. Dazu zählt Heribert Schramm von der Flüchtlingshilfe Rebland die Kosten. „Wir kennen den Kostenrahmen des Rechtsanwalts, wissen aber noch nicht genau, was bei einer Ablehnung der Klage an Gerichtskosten und Kosten der Gegenseite auf uns zukommt.“
Offene Fragen
Zu klären seien ferner die finanzielle Beteiligung der Helferkreise in der Ortenau an den Kosten und die aktuelle Situation der Geflüchteten in den Gemeinschaftsunterkünften vor Ort. Zudem benötige man Angaben zu Flüchtlingen, die bereit seien zu klagen.
Auch auf kommunalpolitischer Ebene tut sich inzwischen was. Es gibt inzwischen einen Antrag der Grünen, der in den Ortenauer Kreistag eingebracht worden ist, mit dem Ziel, die Gebühren für die Unterbringung von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften im Rahmen zu halten. Der Antrag lautet unter anderem: „Das Landratsamt Ortenaukreis erhebt für die Unterbringung von alleinstehenden erwerbstätigen Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften des Ortenaukreises Gebühren, die 25 Prozent unter den SGB-II-Sätzen liegen. Das Land Baden-Württemberg erstattet im Wege der sogenannten Spitzabrechnung sämtliche Kosten der vorläufigen Unterbringung, die darüber hinaus anfallen.“
„Verstoß gegen wichtige Prinzipien“
Die vom Landratsamt festgelegten Gebühren verstoßen nach Ansicht der Grünen gegen wichtige Prinzipien, die bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen sind, nämlich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Äquivalenzprinzip und das Sozialstaatsprinzip heißt es unter anderem in der Begründung. Und: „Wir halten es für falsch, sie mit Unterbringungskosten zu belasten, die man auf dem privaten Sektor bei Vermietung von entsprechendem Wohnraum als Wuchermiete ansehen würde“, heißt es weiter.
„Ich hoffe, dass es bald eine Befassung mit dem Thema in einem Kreistagsgremium gibt,“ sagt Dorothea Granderath dazu, „und dass sich dann auch Kreisräte aus anderen Fraktionen anschließen.“
Hier gibt es den Wortlaut des Grünen-Antrags in voller Länge.
Presseschau
Januar 2019: Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr will sich gegen die Erhöhung der Wohnheim-Gebühren für Flüchtlinge zur Wehr setzen, schreiben die Lahrer Zeitung. und die Badische Zeitung.
Dezember 2018: Von 2019 an steigen die Gebühren, die Geflüchtete in Wohnheimen des Kreises bezahlen, drastisch, schreiben die Lahrer Zeitung und der Lahrer Anzeiger.
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