„Junger Nigerianer ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft“

Als einen „Gewinn für unsere Gesellschaft“ bezeichnet Bärbel Neef, eine der ehrenamtlichen Helferinnen im Freundeskreises Flüchtlinge Lahr, einen jungen Mann aus Nigeria. Der Freundeskreis hatte im November um Erfahrungsberichte von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gebeten. Er hatte alle Helfer, Paten, Betreuer, oder wie sie sich selbst gerne nennen mögen, aufgerufen, über ihre Schützlinge und die Erfahrungen mit ihnen zu berichten.

Dabei war vor allem die Art der Unterstützung von Interesse, die Schwierigkeiten dabei, aber auch die – noch so kleinen – Erfolge bei der Arbeit mit geflüchteten Menschen aus aller Welt. Und natürlich geht es bei diesen Berichten auch um die Frage, in welcher Weise die Einheimischen selbst im Umgang mit Menschen aus fremden Kulturen profitiert haben. Heute erinnert sich Bärbel Neef an die Zeit, als in Lahr auch Sporthallen des Landkreises mit Flüchtlingen belegt worden sind, und an den jungen Mann aus Nigeria, den sie vor der IBG-Halle kennengelernt hat.


Titelfoto: Bastian Bernhardt

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer begrüßen Mitte Oktober 2015 Flüchtlinge aus Nigeria und Pakistan vor der IBG-Halle.


„Völliger Mangel an Privatheit“

Die Ankunft einer großen Zahl von Flüchtlingen in Lahr machte es notwendig, Sporthallen behelfsmäßig in Notunterkünfte umzuwandeln, unter anderem auch die in der Nähe meiner Wohnung gelegenen Halle des Integrierten Beruflichen Gymnasiums (IGB). Mit anderen Mitgliedern des Freundeskreises hatte ich die Gelegenheit, die Halle vor der Ankunft der künftigen Bewohner zu besichtigen.

In den Containern vor der IBG-Halle waren die Küchen und Sanitärräume untergebracht. – Foto: Bastian Bernhardt

Obwohl ich Massenlager in Berghütten und Jugendherbergen aus früheren Zeiten kannte, war ich entsetzt über die Enge und den völligen Mangel an Privatheit. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man es hier mehr als eine Nacht aushalten könnte und schon gar nicht Menschen, die vor und während ihrer Flucht Furchtbares erlebt hatten, Menschen, die nichts untereinander verband, als dass jeder einzelne von ihnen seine eigene schlimme Geschichte hatte. Und ich erwartete, dass es schnell zu Streitereien oder gar Gewalttätigkeiten kommen müsse.

„Keine Befürchtung trat ein“

Und dann waren sie da, ausnahmslos junge Männer aus Nigeria und Pakistan und nichts von meinen Befürchtungen trat ein. Für mich bewundernswert arrangierten sie sich mit den schwierigen Bedingungen, waren fröhlich und freundlich und wir Helferinnen und Helfer wurden angesteckt und kamen – oft mit einem Lächeln im Gesicht beschenkt – wieder nach Hause.

Oktober 2015: Die Ortenauhalle wird vorbereitet, um bis zu 200 Geflüchtete aufnehmen zu können. – Foto: Bastian Bernhardt

Inzwischen sind die Sporthallen längst wieder leergeräumt und auch die danach bezogenen Wohncontainer wieder abgebaut, manche der jungen Leute haben Lahr verlassen müssen, viele sind noch hier. Allen war es ganz wichtig, Arbeit zu finden und selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Bei der Arbeitssuche und dem Umgang mit den Behörden habe ich manche unterstützt und selbst ungeheuer viel dazugelernt über unsere deutschen, mir oft selbst auch nicht verständlichen Abläufe in den Behörden.

„Freundlich, aber zurückhaltend“

Meine Erfahrung mit einem dieser jungen Männer, nennen wir ihn Tayo, will ich exemplarisch darstellen: Der junge Mann, Mitte 30, wurde in seiner Heimat Nigeria schwer verletzt bei einem Attentat auf seine Person und kam Schutz suchend zu uns nach Deutschland.

Er fiel mir in beziehungsweise vor der IBG-Halle auf, weil er den ganzen Tag fast regungslos an der gleichen Stelle vor der Halle stand. Er war ansprechbar und freundlich, aber sehr zurückhaltend und offenbar nicht in der Lage, mit den anderen zusammen fröhlich zu sein.

In Containern bei der Ortenauhalle werden Küchen eingebaut . . .

Darauf angesprochen, was er denn brauche, kam schnell der Wunsch nach Arbeit, möglichst in seinem Beruf als Automechaniker. Ich war sehr oft mit ihm unterwegs, um Werkstätten abzuklappern nach einer Helfertätigkeit, leider ohne Erfolg. Auch das Deutschlernen war mühsam für ihn und er konnte keine Fortschritte sehen. Er beklagte sich nie, aber man merkte ihm an, dass er zunehmend deprimierter wurde, weil alle Versuche, irgendeine Arbeit zu bekommen, fehlschlugen.

Positive Veränderung durch Arbeit

Dann, nach Monaten, bekam er endlich eine berufsfremde Vollzeitstelle. Nach der Probezeit wurde er übernommen. Er bekam ein ausgezeichnetes Arbeitszeugnis, als er den Arbeitgeber wechselte und von der neuen Firma übernommen wurde. Inzwischen fand er auf eigene Initiative eine Stelle in seinem Beruf, hat ein Zimmer für sich, das er sich schön eingerichtet hat und sehr sauber hält. Er lernt selbständig Deutsch online und schreibt es auch schon ganz gut.

. . . und Toiletten und Duschen. – Fotos: Bastian Bernhardt

Für mich ganz erstaunlich war und ist es immer noch, wie das „endlich Arbeit haben“ Tayo verändert hat. Nachdem er seine Stelle angetreten hatte, konnte ich ihn einige Wochen nicht mehr sehen und erkannte ihn kaum wieder, als ich ihn wieder traf, weil mir ein total veränderter, von innen heraus strahlender Mensch entgegen kam. Es ist – inzwischen schon wieder deutlich mehr als ein Jahr später – immer noch eine Freude für mich zu sehen, wie diese positive Entwicklung anhält und es ihm richtig gut zu gehen scheint.

Leider wurde sein Asylantrag abgelehnt. Es ist zu hoffen, dass das Gericht seine Fluchtgründe eher anerkennt. Dies wünsche ich nicht nur ihm, sondern auch für uns als seine Freunde, die ihn als Gewinn für unsere Gesellschaft betrachten.

Bärbel Neef


Bisherige Erfahrungsberichte: