„Mich freut die Dankbarkeit der Adelekes“

„Mich freut die Dankbarkeit der Adelekes“, sagt Heimfried Furrer, einer der Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr. Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr hatte im November um Erfahrungsberichte von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gebeten. Er hatte alle Helfer, Paten, Betreuer, oder wie sie sich selbst gerne nennen mögen, aufgerufen, über ihre „Schützlinge“ und die Erfahrungen mit ihnen zu berichten.

Von Interesse ist vor allem die Art der Unterstützung, die Schwierigkeiten dabei, aber auch die – noch so kleinen – Erfolge bei der Arbeit mit geflüchteten Menschen aus aller Welt. Und natürlich geht es bei diesen Berichten auch um die Frage, in welcher Weise die Einheimischen selbst im Umgang mit Menschen aus fremden Kulturen profitiert haben. Heute berichtet Heimfried Furrer über die Familie Adeleke aus Nigeria und den Familienvater, dem er Deutschunterricht gibt.


Titelfoto: pixabay.de

Ein Mauerwerk in den Nationalfarben Nigerias


Zweimal die Woche Deutschunterricht

Ich betreue seit über drei Jahren ein nigerianisches Ehepaar mit inzwischen drei kleinen Kindern, die Adelekes. Meine Hilfe besteht vor allem darin, dass ich Rasheed, dem Mann, einmal pro Woche zwei Stunden Deutschunterricht gebe, weil er als Auszubildender in einem Handwerksberuf für seinen Berufsschulunterricht Unterstützung braucht. Der Unterricht findet in ihrer Wohnung statt, die Ehefrau lernt mit, die Kinder sind anwesend (und hin und wieder ein Störfaktor). Den Frust über den langsamen Lernfortschritt überwiegt der Stolz, mit dem mich Rasheed angesteckt hat: Im ersten Zeugnis alle Noten „ausreichend“ und besser! Ich muss Geduld haben.

Wie komme ich dazu, diese längerfristige Verpflichtung einzugehen? Ich habe Blessing, die Ehefrau, ganz am Anfang meiner Tätigkeit als Deutschlehrer in der Flüchtlingsunterkunft in meinem Deutschkurs kennengelernt. Sie trug mit ihrer guten Laune und ihrem Humor zur guten Stimmung in der Gruppe bei. Ihren Sohn Precios, damals noch ein Baby, habe ich des öfteren auf den Arm genommen, während ich unterrichtete und an die Tafel schrieb, was die Kursteilnehmer abschrieben. Mein Hemd war danach immer geliefert. Rasheed kam bald dazu.

Die Familie Adeleke lebt in Heiligenzell. – Foto: privat


Handwerklicher Experte

Bei unserer Aktion „Paletten-Möbel für die Willy-Brandt-Straße“ erwies er sich als handwerklicher Experte und zeigte den anderen Teilnehmern, Flüchtlingen wie Ehrenamtlichen, wie man am geschicktesten mit dem Werkzeug umgeht. Ich schlug ihn für eine Stelle in einem Holzbau-Betrieb, der Firma Langenbach, vor. Er bekam sie und erwies sich dort als guter und geschickter Arbeiter. Der Chef erwog, ihm eine Ausbildung zum Zimmermann anzubieten und entschloss sich auch dazu, nachdem ich mich bereit erklärt hatte, ihm während der gesamten Ausbildung jede Woche mit Deutschunterricht zur Seite zu stehen. Rasheed erfährt in der Firma Unterstützung und Bestätigung.

Weil die Stadt Lahr sich weigerte, den Adelekes zu gestatten, in Lahr zu wohnen (obwohl durch Beziehungen des Arbeitgebers eine Wohnung neu geschaffen werden sollte, die nur für diese Familie zur Verfügung stehen sollte), war diese Ausbildung gefährdet. Wie konnte nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln der Arbeitsplatz in Lahr, der Berufsschulort Offenburg und der spezielle Berufsschulort Bühl für die Zimmermanns-Ausbildung erreicht werden? Es gelang mir, in Friesenheim-Heiligenzell eine Wohnung zu finden, von wo aus Rasheed mit dem Fahrrad nach Lahr und zum Friesenheimer Bahnhof fahren kann.

Rasheed Adeleke erwies sich als ein Experte im Umgang mit Holz. – Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Wohlwollende Betreuung des Arbeitgebers

Die Förderung und wohlwollende Betreuung durch den Arbeitgeber haben bei Rasheed zu Selbstvertrauen und Firmenstolz geführt. Seine ersten Zeugnisse waren gut: Deutsch immerhin ausreichend, in praktischen Fächern meist gut. Interessant: die Note „gut“ in Religion – er ist Muslim.

Allerdings ist inzwischen eine Grenze des Vorankommens in der Berufsschule erreicht. Zu viele fachliche Aufgaben (bei denen ich als Laie nicht helfen kann), zu viele schwierige Texte in allen Fächern, an denen Rasheed mangels schulischer Bildung in Nigeria und ohne das kulturelle, politische, geschichtliche Minimalwissen eines deutschen Hauptschülers scheitern muss. Aber er versucht sich durchzubeißen, und ich bemühe mich, ihn zu ermuntern. Ob er die Prüfung besteht? Falls er scheitert, wird er sicherlich einen zweiten Anlauf nehmen.

Rasheed Adelekes erste Zeugnisse waren gut. – Foto: Melanie Jedryas / pixelio.de

Die Wärme der Umarmungen

Inzwischen sind zwei weitere Söhne dazugekommen. Praise, der quirlige Mittlere, protestiert, wenn die Eltern sich nur auf den Deutschunterricht konzentrieren. Wir müssen ihm immer eine interessante Beschäftigung bieten.

Was habe ich von diesen Begegnungen? Ich habe gelernt, dass auch in einem Land mit Religionskonflikten eine Ehe zwischen einer Christin und einem Muslim möglich ist. Ich freue mich über den Humor und den Optimismus der Adelekes, das Vertrauen und die Dankbarkeit, die sie mir entgegenbringen. Und ich genieße die Wärme der Umarmungen bei der Begrüßung und beim Abschied.

Heimfried Furrer

Bisherige Erfahrungsberichte: