Der Schlüssel zur zerbombten Wohnung

Die Sonderausstellung „Unbekannte Mitbürger – Leben und Alltag von Geflüchteten in Lahr“ im Stadtmuseum zeigt auch dies: Die geflüchteten Menschen haben in ihrer Heimat Hab und Gut zurücklassen müssen und auf ihrer Flucht auch noch das ein oder andere verloren. Oft sind es eher unbedeutende Dinge, die sie auf ihrem Fluchtweg nach Lahr retten konnten. Für sie haben sie aber einen unschätzbaren Erinnerungswert.

Mirav, die 36-jährige Kurdin aus Syrien, Mutter zweier Kinder – Siamand, 16 Jahre, und Rosel, 13 Jahre – hat einen Schlüssel zur zerbombten Wohnung und Murmeln mit nach Lahr gebracht und erzählt die Geschichten dazu:


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Die Ausstellung des Freundeskreises im zweiten Obergeschoss des Stadtmuseums findet nach Auskunft des Aufsichtspersonals guten Zuspruch.


Es existiert nur noch ein Foto

„Der Schlüssel gehörte zu meiner Eigentumswohnung in Aleppo. Das Haus war Teil eines größeren Wohnprojekts und hatte vier Stockwerke. Im obersten wohnte ich mit meiner Familie. Im Haus lebten noch weitere neun Familien. Bevor wir einziehen konnten, haben wir sieben Jahre lang den Kaufpreis in Raten abbezahlt.

Das ist Miravs Schlüssel zur zerbombten Wohnung in Aleppo. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Es war eine schöne Wohnung. Es gibt nur noch ein einziges Foto, das ich von der Wohnung habe. Es zeigt meine damals siebenjährige Rosel im Wohnzimmer. Sie zeigt stolz, dass sie sich – wie ich – ein Tuch um den Kopf gebunden hat, weil wir gleich in die Küche gehen wollten und unsere Haare den Essengeruch nicht annehmen sollten. Die anderen Fotos auf dem Handy sind auf der Flucht zerstört worden.

Eine Bombe hat das Haus zerstört

Nach Zahlung der letzten Rate und dem Einzug konnten wir nur eineinhalb Jahre in der Wohnung leben, bis der Krieg und die Zerstörung Aleppos begannen. Nachdem der Rest unserer Familie nach Afrin gezogen war, lebten die beiden Kinder und ich von 2011 bis 2012 in der umkämpften Stadt, weil wir nicht durch die Kriegsparteien hindurch zu unserer Familie gehen konnten. Es war ein Jahr ohne Elektrizität, und bald auch ohne Fenster, die durch die Bombenexplosionen zerborsten waren. Nur ein Mann lebte ebenfalls noch im Haus.

Miravs Sohn Siamand hat auf der Flucht der Familie zur Erinnerung Murmeln und Patronenhülsen mitgenommen. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Schließlich konnten wir ins Haus meines Vaters ziehen und erfuhren dort, dass unser Haus einen Tag später durch eine Bombe zerstört worden war. Als wir das Haus meines Vaters verließen, nahm ich die Schlüssel meiner Wohnung mit – in der Hoffnung, wieder zurückkehren zu können. Das Band am Schlüsselring hat übrigens die Farben Kurdistans.

Patronen und Murmeln

Die Patronen fand Siamand auf dem Dach des Hauses seines Großvaters, einige steckten auch im Mauerwerk. Er hat sie in einer kleinen Tasche mitgenommen – als Erinnerung an den Krieg in unserem Heimatland und in unserer Stadt. Und noch etwas ganz Gegensätzliches nahm er mit: Murmeln, mit denen er zusammen mit seinen Freunden spielte. Er hat in Deutschland noch keine Kinder mit Murmeln spielen gesehen.“


Über die Ausstellung im Stadtmuseum gibt es zahlreiche zusätzliche Informationen. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr
  • Die Ausstellung ist noch bis zum 10. November im Stadtmuseum zu sehen, mittwochs bis sonntags, jeweils 11 bis 18 Uhr.
  • Einen ausführlichen Bericht zur Eröffnung der Ausstellung gibt es auf der Website des Freundeskreises.
  • Der Ausstellungs-Flyer des Stadtmuseums informiert auch über das umfangreiche Begleitprogramm zur Sonderausstellung.
  • In der Presseinformation der Stadt gibt es weitere Informationen.
  • Auf der Website gibt es weitere Informationen über das Stadtmuseum.
  • Auch die Lokalpresse berichtet über die bevorstehende Vernissage der Ausstellung: Badische Zeitung und Lahrer Anzeiger.
  • Über die Eröffnung der Ausstellung berichten Lahrer Zeitung und Lahrer Anzeiger.
  • Eine Besprechung der Ausstellung gibt es in der Badischen Zeitung.