Die Vertretung der Migranten in der Stadt

Der Interkulturelle Beirat der Stadt Lahr hat zuletzt am Donnerstag, 26. November, in der Mehrzweckhalle im Bürgerpark getagt. Zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus im Mai 2021 sollten Ideen gesammelt werden. Außerdem ging es um die Steigerung der Wahlbeteiligung und politischen Mitwirkung von Migrantinnen und Migranten – auch mit Blick auf die Landtags- und Bundestagswahlen in diesem Jahr. Denn der Beirat ist die Interessenvertretung der Migranten in der Stadt.

Günter Endres vom Freundeskreis Flüchtlinge Lahr war von Anfang an dabei, als es um das Leitbild für das Miteinanderleben in Lahr und die Gründung des Interkulturellen Beirats ging. Endres erzählt in diesem Beitrag von den Anfängen und gibt eine Einschätzung über die Arbeit des Gremiums heute. Die Stadt hat Günter Endres im Januar 2019 mit der Verdienstmedaille ausgezeichnet. Gewürdigt wurde damit sein langjähriges Engagement für Migranten.


Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Bunt zusammengewürfelt ist der Interkulturelle Beirat, der mehr als 30 Mitglieder zählt.


Wenige Tendenzen zur Ausländerfeindlichkeit

„Seit Beginn der neunziger Jahre gab in der gesamten Bundesrepublik rechtsradikale Übergriffe auf Personen mit Migrationshintergrund oder auf ganz aktuell zu uns gekommene Flüchtlinge. Die Agenda-Gruppe „Zusammenleben in Lahr“ hat sich schon immer gegen solche Ansätze von Fremdenfeindlichkeit gewehrt. In der Stadt Lahr gab es – wohl bedingt durch die permanente Anwesenheit von „Fremden“ – nie starke Tendenzen zur Ausländerfeindlichkeit. Trotzdem hat die „Aktionsgemeinschaft gegen Rassismus, Hass und Gewalt“, in der die Agenda-Gruppe „Zusammenleben“ integriert war, im Januar 1993 eine Großveranstaltung auf dem Marktplatz durchgeführt und im Juni 1993 ein „Internationales Begegnungsfest“ im Stadtpark gefeiert.

Günter Endres ist, wenn es um den Interkulturellen Beirat geht, ein Mann der ersten Stunde. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Wie sah denn damals die Situation in Lahr und Umland konkret aus? Im Bereich von Lahr und Kippenheim gab es in den Jahren um 1990 eine türkische Gemeinde, die um die 4000 Personen umfasste. Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien kamen dazu. Auch aus ganz anderen Teilen der Welt gab es Zuzüge in unsere Stadt. Kanadische Familien waren in großer Anzahl in Lahr, es waren rund 12 000 Personen, die im Umfeld des kanadischen Hauptquartiers in Europa in Lahr lebten. In der Stadt wohnten und arbeiteten Menschen aus über 100 Nationen.

„Wer in Lahr wohnt, ist ein Lahrer“

Auch ohne fremdenfeindliche Ereignisse in der Stadt war der Agenda „Zusammenleben in Lahr“ klar, dass die Menschen mit Migrationshintergrund eine Vertretung in der Stadt brauchten, um bei Entscheidungen mitwirken zu können, die für sie relevant waren. Es erschien den Mitgliedern der Gruppe wichtig, dass alle Mitbürger in die Verantwortung für Entscheidungen über die Stadtentwicklung und die Verwaltung einbezogen wurden. „Wer in Lahr wohnt, ist ein Lahrer“, ein Wort des späteren Oberbürgermeisters Wolfgang G. Müller, war schon damals ein wichtiger Satz für die Agenda-Mitglieder.

In etlichen Sitzungen hat die Agenda-Gruppe Zusammenleben mit Vertretern der Stadtverwaltung das „Leitbild für das Miteinanderleben in Lahr“ entworfen. – Foto: Kurt Michel / pixelio.de

Um der Wichtigkeit dieser Aussage zur Realität zu verhelfen, war es erforderlich, sich mit der Verwaltung, also mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Roland Klenk, ins Benehmen zu setzen. Vertreter der Agenda-Gruppe haben sich also mit Bürgermeister Klenk und später mit der Ersten Bürgermeisterin, Brigitte Kaufmann und Günter Evermann, Leiter des Amts für Soziales, Schulen und Sport getroffen und haben begonnen, ein „Leitbild für das Miteinanderleben in Lahr“ zu entwickeln. Manchmal sind die Wege lang und steinig, wenn man etwas Ungewohntes aber dringend Notwendiges erreichen will.

Gemeinderat gibt der Stadt ein Leitbild

Das „Leitbild“ des Interkulturellen Beirats wurde denn auch vom Gemeinderat der Stadt und mit dem neuen Ersten Bürgermeister Guido Schöneboom erst am 22. November 2010 einstimmig verabschiedet. Im Leitbild werden Ziele der Integration benannt, die Akteure und die Schwerpunkte der städtischen Aufgaben werden festgeschrieben. Ebenfalls wurde eine Geschäftsordnung des „Interkulturellen Beirats“ vom Gemeinderat beschlossen. Darin werden die Aufgaben, die Rechte, die Zusammensetzung, die Amtszeit und andere Formalien festgeschrieben. Die Zusammensetzung des Beirats hat damals nicht die Zustimmung der Agenda-Gruppe gefunden, weil 15 Mitglieder Deutsche waren und eine Mehrheit gegenüber den Migranten bildeten.

Der Beirat tagt viermal im Jahr im großen Sitzungssaal im Rathaus II. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Der Interkulturelle Beirat beschäftigt sich in seinen viermal jährlich stattfindenden Sitzungen mit äußerst unterschiedlichen Themen. Das reicht, so ist es in den Tagesordnungen nachzulesen, von „Aktuelles aus dem Gemeinderat“ – nicht immer von Relevanz für das Gremium – über den „Bericht der SprecherInnen“, der sich öfter mit dem „Interkulturellen Garten“ beschäftigt und Aktivitäten oder ausgefallene Aktivitäten thematisiert, bis zur Vorbereitung der „Interkulturellen Tage“, um ein paar Beispiele zu nennen.

Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr wird im Interkulturellen Beirat von Ali Rahman vertreten, seine Stellvertreterin ist Stephanie Kempchen. Günter Endres ist von Anfang an als sachkundiger Bürger dabei, also nicht als Vertreter seiner Partei, der SPD, oder einer anderen Gruppe.

„Tätigkeit ist nicht befriedigend“

„Ich empfinde die Tätigkeit nicht als befriedigend, weil ich meine, dass die Arbeit mehr Bezug zur Gemeinderatsarbeit und zur Verwaltung haben sollte“, gibt Günter Endres zu bedenken. Und: „Sie sollte politischer sein und sich mehr auf die Menschen in ihrem Alltag beziehen.“ An den positiven Entscheidungen der Verwaltung, so die Bestellung einer Integrationsbeauftragten, hat der Interkulturelle Beirat keinen Anteil. Ebenso fehlt eine Beteiligung am wichtigen Problem der Wohnungsfindung für Migranten. Auch die Vermittlung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie viele weitere Themen, die mit der Integration zusammenhängen, gehen am Interkulturellen Beirat vorbei.

„Der Interkulturellen Beirat schwebt in der Gefahr, ein Beirat zu sein, der wenig bewegt und niemandem weh tut“, lautet die Bilanz von Günter Endres. „Wenn sich die Zeit von Covid 19 dem Ende zuneigt, halte ich den Zeitpunkt für gekommen, den Beirat zu mehr Effektivität anzuregen.“

Die Integrationsbeauftragte der Stadt mit Sitz im Begegnungshaus ist unter anderem auch für den Interkulturellen Beirat zuständig. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Die Geschäftsordnung

Der Interkulturelle Beirat ist laut Geschäftsordnung die Interessenvertretung der Migrantinnen und Migranten in Lahr. Eine seiner Aufgaben: Die Förderung des Miteinanderlebens in der Stadt. Der Beirat soll zu Fragen, die damit zusammenhängen, von Gemeinderat und Verwaltung rechtzeitig einbezogen werden. Er soll auch die Gelegenheit zu Stellungnahmen haben. Der Interkulturelle Beirat besteht aus je einem Mitglied der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen sowie sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern, die von Verbänden, Vereinen, Parteien, Kirchen, Schulen und sonstigen Institutionen vorgeschlagen werden. Derzeit sind in diesem Gremium sieben Vertreter der Parteien und 27 sachkundige Bürger vertreten. Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr hat Ali Rahman in den Beirat entsandt, Steffi Kempchen ist seine Stellvertreterin. Drei Sprecherinnen und Sprecher vertreten den Beirat gegenüber dem Gemeinderat, der Verwaltung und der Öffentlichkeit. Derzeit sind dies T. D. Trang Nguyen, Sana Ahmad-Hussein Alyaaqubi und Wolfgang Meier. Vorsitzender des Beirats ist der Oberbürgermeister. Die Amtszeit des Beirats endet mit der des Gemeinderats.

Weitere Informationen

  • Dem Autoren dieses Beitrags, Günter Endres, ist im Jahuar 2019 die Verdienstmedaille der Stadt Lahr verliehen worden – für sein langjähriges Engagement für Migrantinnen und Migranten in der Stadt.
  • Im Menü Helfen auf dieser Website geht es auch um den Interkulturellen Beirat.
  • Gewissermaßen als Geschäftsstelle zuständig für den Interkulturellen Beirat ist die Integrationsbeauftragte der Stadt Lahr.