In einer dringenden Aufforderung zum Handeln appellieren die Helferkreise für Geflüchtete an den Ortenaukreis. Sie sehen im Ausschluss der Bewohner in den Flüchtlingsunterkünften von der Teilhabe an Bildung und Wahrnehmung ihrer Rechte einen widerrechtlichen Zustand, weil ohne Zugang zum Internet in der Zeit des Lockdowns die Kinder nicht am digitalen Unterricht teilnehmen können, den Erwachsenen sowohl der Kontakt zu Anwälten und Helfern als auch soziale Beziehungen erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden.
In der monatlichen digitalen Konferenz der ehrenamtlichen Helfergruppen im Ortenaukreis wurde die fehlende Internetverbindung in den Unterkünften als eines der brennenden Probleme der Flüchtlingspolitik im Kreis angesehen. Die Vertreter der Gruppen verabschiedeten einstimmig einen schriftlichen Appell an den Kreis, dem rechtswidrigen Zustand abzuhelfen. Das ist ihren Recherchen nach mit relativ geringen Mitteln zu erreichen, weil sowohl die Hardware als auch die laufenden Kosten für die WLAN-Verbindung sich in Grenzen halten.
Titelfoto: Gerd Altmann / pixabay.de
WLAN ist entscheidend für die Integration in Deutschland, verbindet die Geflüchteten aber auch mit ihren Familienangehörigen in der ganzen Welt.
„Ein WLAN-Zugang ist unabdingbar“
Die Gruppen wollen in den Medien und notfalls vor Gericht dafür kämpfen, dass der Kreis seinen Pflichten gegenüber dem von ihm betreuten Personenkreis nachkommt. Hier ist der Appell an den Kreis im Wortlaut:
„Wir, die Vertreterinnen und Vertreter der ehrenamtlichen Helferkreise Ortenau, betrachten mit Sorge, dass geflüchtete Menschen weder in den Unterkünften des Landkreises noch in denen der Gemeinden im Ortenaukreis einen Zugang zum Internet haben.
Ein WLAN-Zugang ist besonders in der Pandemie unabdingbar, um die verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten im Asyl- und gerichtlichen Verfahren erfüllen zu können. Auch der Kontakt zu ehrenamtlichen Begleitern, Sozialarbeitern, beauftragten Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen bzw. asylrechtlichen Verfahrensberatungen (Diakonisches Werk, Caritas) läuft meist digital (per Apps oder E-Mail).
„Die Informationsquelle der Gegenwart“
Das Internet ist die Informationsquelle der Gegenwart und muss daher für alle Menschen zugänglich sein. Ferner ist es für die Aufrechterhaltung familiärer und verwandtschaftlicher Kontakte und für Recherchezwecke zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten von großer Bedeutung. Gerade im Hinblick auf die kurzen gesetzlichen Fristen im Asylverfahren ist der Zugang zum Internet in der Pandemie, die Menschen für Monate von normalen Begegnungen und von dem Aufsuchen von Beratungsstellen fernhält, von besonderer Bedeutung.
Wie gut digitaler Schulunterricht in Corona-Zeiten funktioniert, ist auch eine Frage der Technik. Wenn Kinder Arbeitsblätter online bearbeiten, diese per E-Mail zurückschicken oder sich Lernfilme anschauen und sich dann per Videochat austauschen sollen, brauchen sie dafür einen Internetzugang. Ohne Internet können sie am Online-Unterricht in der Pandemie nicht teilnehmen. Somit wird schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen das Recht auf Bildung verwehrt.
Dies betrachten wir mit großer Sorge. In einem der reichsten Länder Europas werden dadurch Kinderrechte ignoriert und sozial schwache Familien aus der sonst kostenlosen Bildung praktisch ausgeschlossen.
„Integrationsprozesse kommen zum Stocken“
Begonnene Integrationsprozesse und Bemühungen kommen zum Stocken, weil Geflüchtete nicht an digitalen Deutschkursen teilnehmen können, wenn sie in einer Unterkunft wohnen. Auf Grund des Status können sie meistens keine Verträge mit Flatrate abschließen und somit ist die Benutzung des Internets oft mit hohen Kosten verbunden.
Wir appellieren daher an Sie, diesem drängenden Problem Abhilfe zu verschaffen. Wir gehen davon aus, dass Sie damit nicht nur die Not der Flüchtlinge in der Pandemie lindern können, sondern dass dies auch entscheidend für deren weitere Integration ist und damit im Interesse der Gesamtgesellschaft liegt.
Letztlich würde es auch uns Ehrenamtlichen, deren Engagement von Ihnen bislang ja immer begrüßt wurde, den Kontakt zu den Geflüchteten und die konkrete Hilfestellung erleichtern, was wiederum auch zur Entlastung auf Ebene der Kreisverwaltung führen würde.“
Die Unterzeichner
- Achern Miteinander e. V., Monika Huber, Vorsitzende
- Willkommensinitiative Neustart e.V., Ettenheim, Beate Kostanzer
- Netzwerk Solidarität Friesenheim e.V., Eberhard Braun
- Netzwerk Flüchtlingshilfe Hohberg, Claudia Seitz
- Initiative Flüchtlinge Kehl, Eric Jais
- Freundeskreis Flüchtlinge Lahr, Heimfried Furrer, Sprecher
- Flüchtlingshilfe Rebland (Offenburg), Heribert Schramm, Koordinator
- Helferkreis Rheinau, Andrea Hauser und Renate Stolz
- Ökumenischer Arbeitskreis Asyl (Offenburg), Rita Makarinus und Pfarrerin Claudia Roloff
- Forum Asyl Ortenberg, Victor Witschel, Sprecher/Koordinator
- Netzwerk Gastfreundschaft Neuried, Karin Geiser
- Willstätt integriert e.V., Hans-Wolfgang Brassel, Sprecher
- Familien- und Seniorenbüro/Flüchtlingskoordination für die Stadt Gengenbach, Christine Weygoldt-Barth, Leitung
- Kirchenbezirksbeauftragte für Flucht und Migration, Evangelischer Kirchenbezirk Ortenau, Gabriella Balassa
Kontakt
- Gabriella Balassa, Kirchenbezirksbeauftragte für Flucht und Migration, Tel. 0177 / 4697247, E-Mail gabriella.balassa@diakonie.ekiba.de
- Evangelische Erwachsenenbildung Ortenau, Poststraße 16, 77652 Offenburg, Tel. 0781 / 24 018, Internet https://eeb-ortenau.de
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