Die junge Alia ist in Aleppo erfolgreich an den Augen operiert worden

Die 14-jährige Alia, Kurdin im Flüchtlingslager Al Shahbah, ist am Mittwoch, 17. Februar, erfolgreich operiert worden. Das teilte ihr Vater dem Freundeskreis Flüchtlinge Lahr telefonisch mit. Alia und ihre Familie sind überglücklich. Und den Organisatoren der Spendenaktion vom Freundeskreis sind große Steine vom Herzen gefallen: Schwer wog doch die Last der Verantwortung gegenüber den Spenderinnen und Spendern aus Lahr und Umgebung angesichts der großen Geldsumme, die gespendet wurde. Von den gut 15 000 Euro, die an Spenden eingingen, wurden 12 000 Euro für Alias Operation benötigt.

Zur Erinnerung: Alia wurde bei einem türkischen Bombenangriff auf ihre Heimatstadt Afrin schwer verletzt. Ein Auge wurde völlig zerstört, das andere verletzt, Metallsplitter steckten in den Knochen und dem Fleisch der Augenumgebung, der Sehnerv war beschädigt. Um zu verhindern, dass die verbleibende Sehkraft des verletzten Auges ebenfalls noch verloren ging, war eine Operation dringend nötig.


Titelfoto: Esther Stosch / pixelio.de

Daumen nach oben: Erfolg auf der ganzen Linie. Beim Freundeskreis herrscht Freude, denn er hat das notwendige Geld zusammen gebracht und die Operation ist erfolgreich verlaufen.


Wechselbad der Gefühle beim Bombenangriff

Alia berichtet von dem extremen Wechselbad der Gefühle, das sie beim Bombenangriff durchlebte: „Als Afrin von den türkischen Flugzeugen bombardiert wurde, flohen wir in panischer Angst zusammen mit unseren Nachbarn in einem Kleinbus. Wir hofften, in einem anderen Stadtviertel sicher zu sein. Doch das Fahrzeug wurde beschossen, meine drei Schwestern und ich wurden im Gesicht verletzt, überall war Blut, unsere Oma starb vor unseren Augen. Es war ein furchtbarer Schock, das Schlimmste, was ich je erlebt habe.“

Alia liegt nach der Operation im Krankenhaus in Aleppo. Der schwerwiegende Eingriff war erfolgreich, die junge Kurdin kann ihr Glück kaum fassen. – Foto: privat

Im Krankenhaus in Afrin machte man ihr wieder Hoffnung, dass eine Operation ihre Augen vollständig wiederherstellen könnte. „Aber da fielen auch Bomben auf das Krankenhaus und zerstörten es völlig. Wir mussten es fluchtartig verlassen. Jetzt war jede Hoffnung in mir gestorben, dass ich je wieder normal aussehen und vollständig sehen können würde.“

Bange Tage der Unsicherheit

Mirav Sido vom Freundeskreis Flüchtlinge machte eine Möglichkeit ausfindig, wie Alia im Krankenhaus in Aleppo doch noch operiert werden konnte. Allerdings war das eine Auge nun unwiederbringlich verloren, und die Kosten für Alias Familie viel zu hoch.

Diese Operation konnte nun dank der Hilfsbereitschaft der mehr als 120 Spender stattfinden. Bange Tage der Unsicherheit über den riskanten Geldtransfer (zur Sicherheit in mehreren Raten) und über die gefährliche Reise Alias und ihres Vaters nach Aleppo bedeuteten vor allem für Mirav, die Initiatorin der Hilfsaktion, extremen Stress. Sie war ständig mit dem Vater in Kontakt, organisierte telefonisch die Reise und sprach mit den Ärzten. Sie stand die ganze Zeit in großer Anspannung: Was, wenn das Geld abgefangen würde, die Fahrt mit Schlepper zum Krankenhaus in Aleppo verhindert worden, die Operation missglückt wäre?

Einsatz von vier ärztlichen Spezialisten

Denn die Operation war sehr kompliziert und erforderte den Einsatz von vier ärztlichen Spezialisten. Unter anderem musste Knochengewebe aus Alias Hüfte in den das Auge umgebenden Knochen verpflanzt werden.

Die mehr als sechsstündige Operation nahm einen glücklichen Verlauf. Besonders glücklich darüber ist Alia selbst: „Wenn die Fäden gezogen sind und ich ein Glasauge bekomme, habe ich wieder ein normales Gesicht. Und der Arzt sagt, das andere Auge wird wieder zu 100 Prozent sehen können. Es ist wie ein Wunder“, sagt sie. Ein Wunder, das durch die Mitmenschlichkeit der Lahrer Spender und Spenderinnen möglich wurde, und für das Alia ihnen unendlich dankbar ist.

Alia wünscht sich noch ein weiteres Wunder: „Ich hoffe, dass meine Stadt Afrin wieder auferstehen und so aussehen wird wie vor der türkischen Besetzung.“

Kurdisches Flüchtlingslager im Nordwesten Syriens: Das sind die Lebensbedingungen von Alia und ihrer Familie. – Foto: privat

Wie ist der Erfolg der Spendenaktion zu erklären?

Zunächst einmal sprach alles gegen einen Erfolg der Spendenaktion. In der Adventszeit sind die Menschen zwar spendenfreudiger als in der übrigen Zeit des Jahres. Aber viele von ihnen hatten sich zu Beginn des Advents, als die Spendenaktion des Freundeskreises anlief, bereits für andere Empfänger entschieden. Hinzu kam auch die Corona-Pandemie, die Straßenaktionen – zum Beispiel beim Adventstreff auf dem Schlossplatz – oder ein Benefizkonzert unmöglich machten. Dann waren da auch noch die Lokalzeitungen – wichtige Multiplikatoren – , die anfangs äußerst zurückhaltend bis garnicht über die Aktion berichteten. Das änderte sich erst im weiteren Verlauf.

Die Menschen waren allerdings 2020 – trotz Corona – deutlich spendenfreudiger als in früheren Jahren. Das geht aus der Bilanz des Deutschen Spendenrats hervor. Besonders großzügig waren sie während der beiden Lockdowns wegen der Corona-Epidemie. Das zeigte sich Lahr zum Beispiel deutlich an der BZ-Weihnachtsaktion. Die brachte es 2019 auf die Rekordsumme von 46.000 Euro, ein Jahr später belief sie sich aber auf 70.000 Euro. Auch die Spendenaktion des Freundeskreises lief während des zweiten Lockdowns. Die Helferinnen und Helfer haben also einfach nur das Glück gehabt, die Aktion in der richtigen Zeit ins Leben gerufen zu haben. Das heißt aber auch: Man kann nicht davon ausgehen, dass das Gleiche ein zweites Mal passiert.

Weitere Infos zur Aktion

Einen Bericht über die Situation der Kurden im Norden Syriens gibt es von Mirav Sido unter dem Titel Die kurdische Kultur in Afrin soll ausgelöscht werden auf dieser Website. Einen Bericht über den Auftakt der Spendenaktion gibt es hier: Augenlicht von Alia. Weitere Berichte: Die Hälfte der Spendensumme ist geschafft und Rosel macht die 10.000 Euro voll. Die Spendenaktion ist ein Erfolg. Das Geld für die Operation ist beisammen. Für Fragen zu den Details der Aktion steht Heimfried Furrer telefonisch unter 07821 / 24126 zur Verfügung.