„Zuwanderung im Ortenaukreis: von der Akutphase zur Konsolidierung“: So lautet eine achtteilige Serie, die das Landratsamt Ortenaukreis zum Thema zusammengestellt hat. Dabei handelt es sich um einen Rückblick, der vom Höhepunkt der Zuwanderung im Sommer 2015 bis auf den heutigen Tag reicht. Der erste Teil der Serie beschreibt den Weg von der vorläufigen Unterbringung, für die der Landkreis zuständig ist, bis hin zur Anschlussunterbringung von Geflüchteten in den Städten und Gemeinden.
Im Zuge der im Sommer 2015 einsetzenden Zuwanderungswelle standen die Landkreise landauf, landab vor der Mammutaufgabe, die rapide gestiegene Zahl der von den Landeserstaufnahmestellen zugewiesenen Menschen unterzubringen. Auch der Ortenaukreis. Denn die Zahl der Menschen, die im Landkreis aufgenommen wurden, stieg innerhalb kürzester Zeit um 350 Prozent: von rund 1200 Bewohnern im Januar 2015 auf über 3500 im Dezember desselben Jahres bis hin zum Höchststand von 4200 im März 2016.
Titelfoto: Bastian Bernhardt
Im Spätherbst 2015 sind Flüchtlinge aus Nigeria und Pakistan in der IBG-Halle einquartiert worden, sie werden von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern begrüßt.
Große Herausforderungen
Aktuell leben im Ortenaukreis noch 2285 Menschen in den vorläufigen Unterkünften; viele sind in den letzten Monaten bereits in die Anschlussunterbringungen der Städte und Gemeinden oder in eigene Wohnungen umgezogen oder werden dies noch tun, heißt es in der Pressemitteilung des Landratsamts.
„Die Welle der Zuwanderung, die im Sommer 2015 auf uns zugerollt ist, hat das Landratsamt, aber auch die Kommunen vor große Herausforderungen gestellt“, so Michael Loritz, zuständiger Dezernent im Landratsamt. Für ihn und seine Mitarbeiter bedeutete dies, in kürzester Zeit Wohnraum zur vorläufigen Unterbringung und die Strukturen zur Betreuung der Menschen zu schaffen.
Neue Stellen und eine Gesamtstrategie
„Das war ein Kraftakt, der in der Kreisverwaltung neben dem Migrationsamt und dem Gebäudemanagement etwa auch das Baurechtsamt, das Jugendamt, das Personalamt oder den IT-Service gefordert hat“, blickt Loritz zurück. Dem Ortenaukreis sei es jedoch gelungen, die Aufgaben gut zu bewältigen. So habe Landrat Scherer bereits im Herbst 2015 eine Lenkungsgruppe zur regelmäßigen Koordination der betroffenen Fachbereiche eingerichtet. Darauf macht das Landratsamt aufmerksam.
Um dem erheblichen Anstieg der Flüchtlingszahlen seit Sommer 2015 angemessen begegnen zu können, wurden zudem neue Stellen geschaffen und mit der von Landrat Scherer initiierten „Gesamtstrategie Zuwanderung“ ein wichtiger Grundstein gelegt, um die zugewanderten Menschen bestmöglich in die Gesellschaft zu integrieren, heißt es laut der Pressemitteilung.
Ausbau und Abbau der Kapazitäten
„Im Vergleich zur Hochphase der Ankünfte hat sich die Arbeit des Migrationsamts, aber auch das Leben in unseren Unterbringungen stark verändert“, sagt Alexandra Roth, Leiterin des Migrationsamts. „Während wir anfangs mit Hochdruck daran gearbeitet haben, die Unterbringungskapazitäten so rasch wie möglich aufzubauen und dabei auf kleinere Wohneinheiten, Container und für kurze Zeit auch Turnhallen zurückgreifen mussten, haben wir bereits 2016 damit begonnen, kleine und organisatorisch schwer zu betreuende Objekte sowie Containerunterkünfte sukzessive auflösen.“
Auch im Bereich der sozialen Betreuung der Zuwanderer gebe es viele Neuerungen: „In den beiden vergangenen Jahren haben wir verlässliche Strukturen der Unterstützung aufgebaut, die kreisweit und Behörden übergreifend genutzt werden.“ Unter anderem kann der Sozialdienst die Menschen in seinen Sprechstunden mittlerweile individueller beraten und Zukunftsperspektiven aufzeigen, freizeitpädagogische Angebote organisieren sowie Info-Veranstaltungen anbieten.
Eine Koordinatorin und Integrationsbeauftrage
Seit kurzem besteht in den Unterkünften darüber hinaus die Möglichkeit, am Landesprogramm „Richtig. Ankommen. Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge“ teilzunehmen, mit Richtern und Staatsanwälten als Dozenten. Zudem habe das Landratsamt den ehrenamtlichen Flüchtlingsinitiativen, die erheblich zur Entlastung aller Beteiligten beigetragen haben, eine Koordinatorin zur Seite gestellt und den Aufbau eines Dolmetscherpools unterstützt. Auf kommunaler Ebene hätten viele Integrationsbeauftrage ihre Arbeit aufgenommen, die Akteure seien nunmehr sehr gut miteinander vernetzt.
Zudem habe sich auch im Alltag der Neuankömmlinge viel verändert. Ging es für sie anfangs um die Erstversorgung und Einleitung des Asylverfahrens, gehen heute viele zur Schule oder zur Arbeit und nehmen an Integrationskursen oder berufsbildenden Maßnahmen teil. Aufgrund der fortschreitenden Bearbeitung offener Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werden bis zum Jahresende voraussichtlich 2137 Menschen, die im Januar vorläufig untergebracht waren, einer Anschlussunterbringung zugewiesen sein – für die Menschen eine echte Perspektive, betont das Landratsamt.
Hintergrund: die Anschlussunterkunft
Anerkannte Asylbewerber oder Menschen, die länger als 24 Monate in einer vorläufigen Unterkunft gelebt haben, werden einer Anschlussunterbringung zugewiesen. Die Verteilung der Flüchtlinge erfolgt im Ländle seit September 2016 nach der Wohnsitzauflage, sie gilt rückwirkend für alle Anerkennungen ab dem 1. Januar 2016. „Ziel ist, die Bildung von Ghettos zu verhindern“, so das Landratsamt. Laut Wohnsitzauflage sind Zuwanderer verpflichtet, bis zu drei Jahre in der ihnen zugewiesenen Kommune zu bleiben. Nur dort erhalten sie Sozialleistungen; ausgenommen sind Menschen in Arbeit oder Ausbildung. Die Wohnsitzauflage wird von den Ausländerbehörden verhängt. An der bisher gültigen, gleichmäßigen Verteilung der Menschen nach einer Quote, die das Landratsamt nach der Bevölkerung, aber auch nach den Vorbelastungen der Städte und Gemeinden berechnet, hat sich nichts geändert, heißt es in der Pressemitteilung.
Hier gibt es alle Teile der Serie:
- Zuwanderung 1: Von der vorläufigen Unterkunft zur Anschlussunterbringung
- Zuwanderung 2: Hotel Hubertus – ein Haus für besonders Schutzbedürftige
- Zuwanderung 3: Ehrenamtliche Dolmetscher leisten wertvolle Arbeit zur Verständigung
- Zuwanderung 4: Gesamtstrategie Zuwanderung des Ortenaukreises – ein landesweit einzigartiges Konzept
- Zuwanderung 5: Ehrenamtliche Dolmetscher helfen Sprachbarrieren zu überwinden
- Zuwanderung 6: Landratsamt löst weitere vorläufige Unterbringungen auf
- Zuwanderung 7: Unbegleitete minderjährige Ausländer suchen Wohnraum
- Zuwanderung 8: Zentrum zur beruflichen Integration von Flüchtlingen bringt Zuwanderer in Lohn und Arbeit
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