Nachhilfe: „Die Arbeit mit Migranten tut gut“

Marianne Perotto ist mit ihren 74 Jahren die älteste Lehrkraft beim Grundschulprojekt des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr. Sie ist verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter und zwei Enkel. Seit 2007 engagiert sich die Musiklehrerin ehrenamtlich in der Kreuzgemeinde als Kirchenälteste. Ehrenamtlich ist sie auch in der Gutenberg- und in der Schutterlindenbergschule tätig.

Immer geht es ihr darum, leseschwachen Kindern mit Migrationshintergrund beim Spracherwerb zu helfen. Im Herbst 2019 ist für sie mit der Grundschule Sulz noch eine dritte Schule dazugekommen – im Rahmen des Projekts des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr, das derzeit Corona-bedingt ruht. Heimfried Furrer, Organisator des Projekts, hat sie dafür gewonnen. In Sulz betreut sie zwei Mädchen. Marianne Perotto erzählt:


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Marianne Perotto am Flügel: Das erinnert an den Beruf, den die ehrenamtliche Helferin erlernt hat – Musiklehrerin.


„Beruflich wollte ich immer etwas machen, was mit Schule und Musik zu tun hat. Nach meinem Studium für musikalische Früherziehung in Mannheim und Frankfurt in den 1970er Jahren hatte ich nach einer Zwischenstation in Bretten das Glück, 1981 eine Stelle an der städtischen Musikschule in Lahr antreten zu können. Das war damals eine ganz neue Sache, Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren an die Musik heranzuführen. Später kamen dann noch die Außenstellen in Seelbach und Wallburg dazu oder Kursangebote in Kindergärten. Das ging so bis 2002.

Marianne Perotto hat mit 60 Jahren noch einmal etwas Neues angefangen. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Dann habe ich mit fast 60 Jahren noch einmal etwas Neues gemacht. Man hatte mir damals die Leitung der Schülerhilfe in Kippenheimweiler angeboten, die die Caritas von der Stadt übernommen hatte. Das war zwar zunächst eine Umstellung für mich. Es waren ja ganz andere Kinder, als die, die ich in der Musikschule unterrichtet hatte. Das waren Kinder aus Aussiedler-Familien in der Schornsiedlung, die alle Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hatten. Ihnen zu helfen, habe ich als eine sehr sinnvolle Tätigkeit erlebt, es war eine richtig tolle Zeit. 2010 bis ich dann in Rente gegangen.

Bereits im Jahr 2007 bin ich von einer anderen Kirchenältesten der Christusgemeinde – heute ist es die Kreuzgemeinde – gefragt worden, ob ich nicht Lust hätte, in der Gutenbergschule mit leseschwachen Kindern das Lesen zu üben. Die Kirchenälteste unterrichtete dort. Da habe ich mir gedacht, ich probiere das mal, und seither mache ich das mit Grundschülern – zwei, drei Stunden jeweils am Freitagvormittag.


„Beim Lesen wird die Fantasie angeregt. Das muss man als kleines Kind meiner Meinung nach erleben können.“

Marianne Perotto

Und dann ist vor drei, vier Jahren einmal in der Woche noch das Vorlesen in der Schutterlindenbergschule dazu gekommen – eine Schule, die für ihren hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund bekannt ist. Es geht um Kinder aus der zweiten Klasse, denen nie vorgelesen wird. Sie hören aber nicht immer nur begeistert zu. Ihnen fällt zwischendurch oft etwas anderes ein. Dann wird’s unruhig und man muss versuchen, ihre Aufmerksamkeit wieder zu gewinnen. Ich finde, das Vorlesen ist wichtig, es ist die Vorstufe zum Lesen. Und beim Lesen wird die Fantasie angeregt. Das muss man als kleines Kind meiner Meinung nach erleben können.

2016 habe ich immer mittwochs Deutschunterricht im Flüchtlingscontainer in der Tramplerstraße angeboten. Nachdem die Container wieder abgebaut worden waren, war nur noch ein Flüchtling übrig geblieben. Mit ihm habe ich mich dann im Gemeindesaal der Christusgemeinde getroffen, um ihn dort auch weiter zu unterrichten. Das hat richtig Spaß gemacht, weil ich gemerkt habe: Er will unbedingt etwas lernen. Das war ein Erfolgserlebnis. So etwas tut einem gut. Von diesem Zeitpunkt an hatte ich mit Flüchtlingen und mit dem Freundeskreis Flüchtlinge zu tun.

Marianne Perotto bei der Nachhilfe in der Grundschule in Sulz – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Im vergangenen Jahr hat mich Heimfried Furrer vom Freundeskreis dann auf das Grundschulprojekt aufmerksam gemacht. Wir kannten uns vorher schon, weil er Lehrer meiner Kinder war. Er meinte, in der Grundschule in Sulz werde noch jemand benötigt. Seit Herbst vergangenen Jahres bin ich mit dabei, weil ich das Projekt für sehr sinnvoll halte. Denn Kinder in diesem Alter sind in der Lage, eine Fremdsprache gut zu lernen. Was soll ich sonst noch sagen? Wenn es mir nicht gefallen würde, würde ich es nicht machen.“


  • Weitere Informationen über das Grundschulprojekt gibt es hier.
  • Zum Projekt gibt es auch ein Fotoalbum.