Der Blick zurück: ein tolles Jahr 2022 mit sehr vielen Höhepunkten

Ein Rückblick auf das Jahr 2022 – das ist ein Erinnern an vieles Schöne und Gelungene in einem Jahr, in dem der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr etliche neue Projekte angepackt und erfolgreich durchgeführt hat. Und daneben wurde vieles weitergeführt, das im Vorjahr und in den Jahren davor schon das Engagement der Ehrenamtlichen erfordert hatte. Mehr Menschen als zuvor waren an Projekten beteiligt, und vor allem der verstärkte Einsatz von Geflüchteten zeichnete dieses Jahr gegenüber allen vorangegangenen aus.

Diese Tatsache ist sicher einer der großen Erfolge, die zu verzeichnen sind. Und weil so viele Flüchtlingshelferinnen und -helfer in so mannigfachen Tätigkeiten engagiert waren, sollen in diesem Rückblick viele, auch Stimmen der engagierten Geflüchteten, zum Ausdruck kommen. Sein „türkisches Jahr“, so bezeichnet Klaus Schweizer diese Zeit, in der man nach dem Wegfall der Einschränkungen durch Corona wieder mit vollem Einsatz loslegen konnte – allen voran Klaus Schweizer selbst. Und selbstverständlich wäre auch „ukrainisches Jahr“ angebracht.


Titelfoto: pixabay.de

Das turbulente Jahr 2022 ist bald vorbei, was das neue Jahr bringt, liegt im Ungewissen.


Wie ein Treffen im Familienkreis

Aber der Reihe nach: Als das Café International am 1. April im neuen Domizil im Interkulturellen Garten eröffnete, war das Thekenteam noch unsicher, ob sich bei einem wöchentlichen Betrieb genügend Gäste einfinden würden. Diese Bedenken schwanden sehr schnell, denn jeden Freitagnachmittag fanden sich 30 bis 40, manchmal bis zu 60 Besucher ein. Das Café wurde ein Riesenerfolg und ist es auch bis heute, nach dem Umzug in den Saal des evangelischen Gemeindehauses am Doler Platz, geblieben.

Klaus Schweizer hat daran maßgeblichen Anteil, ist er es doch, der als Organisator zusammen mit anderen die im Café anfallenden Arbeiten übernommen hat. Brigitte Ordowski, von Anfang an regelmäßig im Thekenteam engagiert, ist des Lobes voll für ihn und lobt seine perfekte Organisation. Sie vergleicht die Treffen im Café, trotz der unterschiedlichen Herkunft so unterschiedlicher Menschen, mit einem Treffen im Familienkreis und schreibt: „Sowohl die Geflüchteten und Gäste als auch das Personal sind immer freundlich und hilfsbereit. Manchmal habe ich das Gefühl, das Café zieht nur Positives an.“

Zum ersten Café international im interkulturellen Garten am 1. April 2022 sind überwiegend Flüchtlinge aus der Ukraine gekommen. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Eine von ukrainischen Geflüchteten – Frauen mit ihren Kindern – dominierte Veranstaltung war es am Anfang. Die Gäste verstanden wahrscheinlich nur wenig von dem, was Rudi – Künstlername „das Gedönstier“ – in seinen kritisch-humorvollen Liedern sang, aber sie konnten sich an seinem Iro-Haarstil nicht satt fotografieren.

Halime Mitanni hat einen berührenden Brief über ihre Erfahrungen mit dem Café international geschrieben.

Nach dem Ende des Ramadan jedoch kamen viele der neu in Lahr einquartierten Türken und Syrer, hauptsächlich junge Männer, in das Café; die meisten von ihnen sind inzwischen Stammgäste geworden. Das Café war auch der Geburtsort eines der Projekte. Klaus Schweizer und zeitweilig mehr als ein Dutzend der neu angekommenen Türken reparierten Fahrräder und deckten mit fast 200 Rädern den großen Bedarf vor allem der ukrainischen, aber auch anderer Geflüchteter.

Ein vorbildliches Engagement

Den weitergehenden Erfolg dieser Gemeinschaftsarbeit beschreibt Klaus Schweizer so: „Sieben der Türken und der Deutsche hatten (…) das Bedürfnis, während des Winters mit einem anderen Projekt weiterzumachen. Sie treffen sich seither jeden Samstag, um Probleme der deutschen Sprache zu besprechen, um zu lernen, bessere Fotos zu machen und um – vor allem – gemeinsam zu kochen.“ Der kulinarische Austausch, zum Beispiel beim Thema Kürbis, scheint für alle bereichernd gewesen zu sein.

Vorbildliches Engagement zeigten unter anderem Yunus Elmas und seine Frau Hatice, die auf eigene Initiative mit dem Ludwig-Frank-Haus Kontakt aufnahmen und dort nun stundenweise pflegebedürftige Bewohner betreuen. Auch kümmern sich zunehmend Geflüchtete um die Probleme ihrer Landsleute und erweitern so die Möglichkeiten der Hilfe für die Lahrer Geflüchteten.

Yunus Elmas und seine Frau Hatice haben für das Suppenfest eine türkische Hochzeitssuppe gekocht. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Dass durch die Zusammenarbeit von Einheimischen und Geflüchteten neue Synergien entstehen, zeigt sich auch im dritten Platz eines Teams des Freundeskreises beim Mietersheimer Dorfquiz: Das sechsköpfige Team setzte sich aus drei Deutschen und drei Geflüchteten zusammen.

Das Jahr 2022 in einer Fotogalerie und einer Video-Präsentation von Bilal Onur Ak.

Das Café ist zu einem Zentrum der Arbeit des Freundeskreises und des Zusammenhalts geworden. Dort werden neue Ideen geboren und diskutiert, finden Beratungen statt, aber auch Feiern zu besonderen Anlässen: Taherehs 18. und Heimfrieds 74. Geburtstag wurden gefeiert, aber auch der Abschied von Anna Mintyanska und ihrer Tochter Katya, die sich entschieden hatten, wieder zurück in die Ukraine zum Rest der Familie zu fahren. Sie waren durch ihr Engagement im Café, vor allem aber durch ihre positive Ausstrahlung, allen Einheimischen und Migranten ans Herz gewachsen.

Anna kehrt in die Ukraine zurück

Anna hat inzwischen aus der Ukraine eine Mail geschickt. Sie ist nach der langen Fahrt gut angekommen und beruflich wieder voll im Einsatz, der sie auf Dienstreisen quer durch die Ukraine führt. Trotz der vielen Einschränkungen und Belastungen – durch die Kälte, den täglichen stundenlangen Stromausfall und die Raketenangriffe, die schon in der ersten Woche nach ihrer Rückkehr dreimal die Menschen in die Schutzräume zwang – ist sie froh, zu Hause und bei ihrer Familie zu sein. Doch sie vermisst, wie sie schreibt, die Treffen im Café am Freitagnachmittag und lässt alle, die sie kennt, grüßen. Ihre beiden Kinder gehen in Kiew auf das Gymnasium.

Andreij, Annas Sohn, forderte alle zum Schachspiel heraus und trug wesentlich dazu bei, dass nun an jedem Freitagnachmittag auch Schach und – neuerdings – das in der Türkei so beliebte Tavla gespielt werden. Tischtennis, Boule, Fußball – viele freuen sich auf den kommenden April, wenn Gäste und Thekenteam sich wieder im Interkulturellen Garten und damit auch im Freien treffen können.

Anna Mintyanska und ihre Tochter Katya verabschieden sich aus Lahr. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Der Auftritt der Flüchtlingsband The Worlderers bei der Veranstaltung des Freundeskreises gegen den Rassismus – in Zusammenarbeit mit dem Interkulturellen Beirat – hat zum Erfolg dieser Initiative beigetragen. Lahr hat hier Weltoffenheit gezeigt. Die Worlderers proben nach wie vor fleißig, und ihre Auftritte werden immer öfter angefragt, auch von außerhalb des Freundeskreises, zum Beispiel zu Gewerkschaftsversammlungen, Veranstaltungen der Kirchengemeinden und andere. Erfolgreich war auch die vom Freundeskreis organisierte Kundgebung kurz nach dem russschen Überfall auf das Nachbarland Ukraine. 200 Menschen waren auf den Rathausplatz gekommen.

Ein Projekt, das seit dem Jahr 2017 besteht, ist das Grundschulprojekt. Die großzügigen Spenden aus dem Yogastudio Mitte in Koblenz endeten am Ende dieses Jahres, aber Gott sei dank sprang die Stadt Lahr wenigstens teilweise für die Kosten ein. Für die aus privaten Gründen ausscheidenden Lehrkräfte finden sich immer wieder neue, auch einige Oberstufenschülerinnen der Gymnasien sind dabei. Eine von ihnen ist Zoe Ehinger, die Grundschulkindern in der Flüchtlingsunterkunft in Sulz bei den Hausaufgaben hilft, die mit ihnen Lesen und Schreiben übt und mit ihnen spielt und bastelt. Ihre Begeisterung über diese Arbeit beschreibt sie so: „Es ist toll, die Fortschritte bei den Kindern zu beobachten und ihnen Freude und Spaß zu bringen. Jedes Mal, wenn ich komme, empfangen sie mich mit freudigen Umarmungen und lauten Rufen.“

Konfrontiert mit der Realität

Zoe Ehinger sieht aber auch die Schattenseiten: „Viele Kinder bleiben nur für kurze Zeit, müssen umziehen oder werden in ihr Heimatland abgeschoben. Es macht mich auch traurig, mit dieser Realität konfrontiert zu werden, mit Kindern, die kein stabiles, festes Zuhause haben und nicht in Ruhe und sorglos aufwachsen können. Abschied nehmen ist nicht leicht, doch trotzdem versuche ich, mit meiner Arbeit den Kindern so gut es geht zu helfen, damit sie Chancen auf eine bessere Zukunft haben. Das ist, was mich motiviert und antreibt weiterzumachen.“

Syrische Grundschulkinder in der Flüchtlingsunterkunft in Sulz bekommen Hilfe bei den Hausaufgaben. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Zur Integration in eine neue Umgebung gehört auch die Kenntnis der Region und der Blick über den Tellerrand des Lahrer Flüchtlingsalltags. So haben von Anfang an zahlreiche Ehrenamtliche mit den von ihnen betreuten Menschen Fahrten in den Schwarzwald, nach Freiburg oder ins benachbarte Elsass unternommen, um ihnen die Besonderheiten und Schönheiten der Heimat zu zeigen. Eine Initiative der Schwarzwaldtouristik hat den Freundeskreis dabei in besonderer Weise unterstützt: Mit fünf Wanderrucksäcken und dazu jeweils 20 Euro Spesen ausgestattet, konnte Günter Endres, einer der Sprecher des Freundeskreises, eine syrische Familie auf eine Tour durch den mittleren und südlichen Schwarzwald mitnehmen und ihnen zahlreiche Sehenswürdigkeiten zeigen. Für die Teilnehmer war das ein ganz besonderes Erlebnis.

Ferienprogramm für Flüchtlingskinder

Erst seit kurzem dabei, und gleich Einsatz voller Power: Ursula Blanke-Kießling organisierte eine ereignisreiche Sommerferien-Woche für 23 Kinder aus sechs Nationen mit Spielen, Basteln und Baden. Im Rosenpark wurde sie bei bestem Wetter unterstützt von ihrer Freundin Tamara Sander, ihrem Sohn Moritz mit Hündin Juna sowie von Irina Sfintu aus Moldwien und den Türken Yunus Elmas, Ferhat Marasli und Selahaddin Benli. Ein tolles Projekt für Kinder, denen es aufgrund ihrer häuslichen oder finanziellen Situation nicht möglich gewesen wäre, die Sommerferien so zu genießen.

Ursula Blanke-Kießling (Zweite von links) und ihr internationales Team haben 23 Kindern aus sechs Nationen ein Ferienprogramm geboten. – Foto: privat

Bei allen positiven Ereignissen und Unternehmungen bleiben leider noch gravierende Mängel im gesetzlichen und behördlichen Umgang mit den Geflüchteten zu beklagen: Die Situation der Afrikaner in den Containern auf dem Flugplatz ist unverändert und schwer erträglich. Und auch die Hindernisse für die Einbürgerung gut integrierter Geflüchteter, vor allem die extrem lange Zeitdauer der Bearbeitung, sind noch nicht beseitigt. Hier besteht Hoffnung, dass sich, auf viele Initiativen hin, auch die des Freundeskreises, in der nächsten Zeit etwas ändert. Der Freundeskreis wird weiterhin mit kritischen Briefen an Politiker und Behörden versuchen, zur Verbesserung der Bedingungen beizutragen.

Immer wieder Enttäuschungen

Isabell Kollmer, die seit 2016 im Freundeskreis und seit 2018 zudem im Verein Sulz hilft aktiv ist, betont, trotz der begrenzten Möglichkeiten der Hilfe, das „gegenseitige Entgegenkommen und Aufeinanderzugehen; Fragen, Zeigen, Erklären, einfache Konversation. Das beruht auf gegenseitigem Interesse. Scheu abbauen, Ankommen / Willkommen.“ Sie schreibt aber auch von den immer wieder entstehenden Enttäuschungen: wenn Geflüchtete, mit denen sie vertraut war, wegziehen und Kontakte verloren gehen. Suchtprobleme, die sie erlebt, machen ihr zu schaffen. Für das Café hat sie allerdings nur Lob und sieht in ihm eine höchst gelungene Möglichkeit der Integration. Sie genießt die Spiele wie Memory und andere. Die positiven Erfahrungen geben ihr Motivation: „… dank der Corona-Lockerungen glaube ich, im nächsten Jahr einen Schmuck-Bastel-Workshop mit hälftig Flüchtlingen und hälftig Einheimischen veranstalten zu können.“

Einen längeren Beitrag zum Jahresrückblick hat Waltraud Stark eingesandt. Sie soll hier stellvertretend dafür stehen, dass viele der im Freundeskreis Flüchtlinge Engagierten sich bei mehreren Projekten einbringen. Sie betont: „Für mich persönlich ist es ein großes Glück, mich im Freundeskreis, mit dem was ich kann, einzubringen und mit vielen interessanten, liebenswerten Menschen ein Stück Leben gemeinsam zu gehen.“

Waltraud Stark kümmert sich im Café international um ein kleines Mädchen aus der Ukraine. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Über die wichtigsten Felder, auf denen sie sich engagiert, schreibt sie dies: „Zwei Mal in der Woche bieten wir – zur Zeit sind wir zu viert – in der Theodor-Heuss-Schule Sprachunterricht für alle an, welche Deutsch lernen und üben wollen. Das Angebot kennt keine Anmeldung, keine Anwesenheitspflicht und kostet nichts. Für mich als ehemalige Lehrerin wunderbar, an der Tafel, nun Whiteboard, zu stehen und so eifrige Schülerinnen und Schüler zu haben. Das Lerncafé ist zudem ein Ort der Kommunikation, des Austausches von Infos und des Kennenlernens. Oft ergibt sich durch den Besuch des Lerncafes, dass man sich im Café International trifft. Seit das Café im April dieses Jahr wieder geöffnet hat, bin ich dort aktiv – im Gespräch mit den Gästen, an der Theke, beim Auf- und Abräumen. Der Freitag im Café – ein Lichtblick in der Woche.“

Fazit dieses Rückblicks: Es war ein tolles Jahr mit vielen Höhepunkten. Und der Freundeskreis hofft, dass die vielen erfreulichen Ereignisse und Entwicklungen nicht nur die aktiv Engagierten in ihrer Arbeit bestätigen und weiterhin motivieren, sondern dass sich weitere Menschen anregen lassen, sich am Engagement des Freundeskreises für Geflüchtete zu beteiligen.

Weitere Infos

  • Bilal Onur Ak hat eine siebenminütige Video-Präsentation geschaffen und zeigt darin eine Bilanz des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr.
  • Einen Jahresrückblick ausschließlich aus Fotos gibt es hier.