Seit Dezember 2024 werden Sozialleistungen für Asylbewerber nicht mehr bar ausgezahlt, sondern nur noch über eine Bezahlkarte. Das Modell wurde ein Jahr lang getestet, unter anderem auch in Lahr im Ortenaukreis. Wie stehen die Nutzer zu dieser Karte? Das wollte Gabrielle Meton, eine Journalistin aus Strasbourg im Café international des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr in Erfahrung bringen. Sie schreibt:
„Das Klappern der Kaffeetassen mischt sich mit dem Stimmengewirr der knapp 70 Geflüchteten im Veranstaltungssaal des evangelischen Gemeindehauses bei der Stiftskirche in Lahr. Über einer Schachpartie oder einem Stück Kuchen tauschen sie sich hier jeden Freitag aus. Heute wird vor allem über ein Thema lebhaft diskutiert: die Einführung einer neuen Form der Auszahlung von Asylbewerberleistungen – die Bezahlkarte.
Titelfoto: pixabay.de
Geld für Geflüchtete soll es künftig nicht mehr in bar geben, es soll auf einer Bezahlkarte verbucht werden – mit Einschränkungen.
So auch Afsaneh Karimi. Vor acht Jahren floh die 33-Jährige aus Afghanistan nach Deutschland. Zu der Zeit haben sich noch «lange Schlangen» jeden Monat vor dem Sozialamt gebildet, in dem sie ihre Sozialleistungen abholte. Damals bekam sie die noch in Form von Bargeld, Sachleistungen und Wertgutscheinen. «Wir hatten Geduld und am Ende auch unser Geld», erzählt sie. Doch dieser Geduldsprobe soll mit der sogenannten Bezahlkarte ein Ende gesetzt werden. Seit Dezember wird sie in Baden-Württemberg ausgegeben und soll in insgesamt 14 der 16 deutschen Bundesländer eingeführt werden. Asylbewerberleistungen sollen nicht wie bisher bar, sondern monatlich auf eine Prepaid-Karte ausgezahlt werden.

Auszahlungen sollen vereinfacht werden
Den Auszahlungsprozess zu vereinfachen war eines der Hauptargumente der Bundesregierung, um eine erste Version der Karte bereits ab Januar 2024 in ein paar ausgewählten Regionen zu testen. Der Ortenaukreis war einer dieser Testregionen und damit auch die Stadt Lahr. «Die Erfahrungen waren von Anfang an durchweg positiv. Sowohl für die Leistungsbeziehenden als auch für uns in der Umsetzung», so die Pressestelle des Ortenaukreises.
Ein weiteres, vom Justizministerium Baden-Württemberg und dem Bundesministerium des Innern klar formuliertes Ziel ist die Bekämpfung von Geldtransfers in die Herkunftsländer oder an Schleuser. Auslandsüberweisungen sind mit der Bezahlkarte nicht möglich und nur eine bestimmte Höhe Bargeld kann abgehoben werden – in Baden-Württemberg liegt diese Grenze bei 50 Euro.
Einschränkungen, die Milad Kargri Sorgen bereiten. Der 26-Jährige erinnert sich gut daran, wie er mit nur «einer Handvoll Kleidung» von Teheran nach Freiburg floh. So wenig Geld wie möglich auszugeben, war damals seine Priorität. Sparsamsein ist mit seiner neuen Bezahlkarte schon deshalb schwierig, weil viele Online-Zahlungen – und unter anderem auch Zahlungen auf Schnäppchen- und Kleinanzeigenportalen – gesperrt sind.

«Aufwand wird eher größer als kleiner»
«Mit der Beschränkung der Bargeldabhebung können Geflüchtete auf Floh- und Trödelmärkten nicht mehr so günstig einkaufen. Und sie müssen ohnehin schon mit Leistungen unter dem Existenzminimum leben», kritisiert Heimfried Furrer, Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge in Lahr.
Die Testversion der Bezahlkarte hatte diese Einschränkung noch nicht und war deshalb überzeugend für die Freiwilligengruppe, die seit fast zehn Jahren den Café-Treff und Sprachkurse in Lahr organisiert. «Diese sehr detaillierten Einschränkungen führen immer wieder zu Anträgen von Geflüchteten, eine größere Summe Bargeld zu erhalten, zum Beispiel, um eine Klassenfahrt für ihre Kinder bezahlen zu können. Sprich: Der Aufwand für die Ämter bei solchen Anfragen wird eher größer als kleiner», befürchtet Furrer.

Kritische Stimmen aus der Forschung
Auch in der Migrationsforschung wird die Einführung der Bezahlkarte skeptisch gesehen. Geldüberweisungen von Geflüchteten in ihre Herkunftsländer sind nach wie vor ein verhältnismäßig kleines Phänomen.
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben im Jahr 2021 sieben Prozent der Geflüchteten Geld ins Ausland geschickt. «Es liegt meines Wissens keine Evidenz dafür vor, dass aus Rücküberweisungen direkt Geldzahlungen an Schleuser geleistet werden. Die Bezahlung wird üblicherweise vorab getätigt», erklärt der Integrationsforscher Herbert Brücker in einer wissenschaftlichen Einschätzung der Bezahlkarte für das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung.

„Besser Bankkonto statt Karte“
Brücker befürchtet, dass die Einschränkungen bei der Nutzung der Bezahlkarte «Mobilität und Kommunikation beeinträchtigen» und damit auch «zu einer verstärkten sozialen Segregation» und «Stigmatisierung der Betroffenen» führen. Das liege auch daran, dass die Karte längst nicht in allen Geschäften genutzt werden könne. Statt der aktuellen Bezahlkarte plädiert der Forscher dafür, dass Geflüchtete schnell ein eigenes, normales Bankkonto eröffnen dürfen, auf das die Sozialleistungen ohne besondere Beschränkungen überwiesen werden.
Am Tisch des Internationalen Cafés wünscht sich Milad Kargri «Bedingungen, unter denen ein Geflüchteter normal leben kann». Dazu gehört für ihn «eine Karte, mit der wir machen können, was wir wollen». Voraussichtlich bis April wird es im gesamten Ortenaukreis die bundeseinheitlichen Bezahlkarten geben.“
Die Autorin
Der Artikel der Autorin Gabrielle Meton vom „Rheinblick“, ist am Dienstag, 21. Januar 2025, in der zweisprachigen wöchentlichen Beilage „Rheinblick“ der elsässischen Tageszeitungen Dernières Nouvelles d’Alsace et L’Alsace erschienen. Wie der Titel schon sagt, befasst sich die Wochenzeitung Rheinblick mit grenzüberschreitenden Informationen auf beiden Seiten des Rheins.
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