Man liest solche Geschichten immer wieder in der Zeitung: Geflüchtete, die sich gut in Deutschland integriert haben, die die Sprache fließend sprechen, eine Arbeit haben und brav ihre Steuern bezahlen, die Freunde gefunden haben und sich in Deutschland zu Hause fühlen, bekommen aus heiterem Himmel den Abschiebungsbescheid. Bei Flüchtlingshelfern löst das in der Regel eine maßlose Wut aus. Ihre engagierte Arbeit war für die Katz. Geflüchtete, die glaubten, in Deutschland gut aufgehoben zu sein und sich in dieses Land einbringen zu können, sind verzweifelt, wenn sie daran denken, was ihnen in ihrem Heimatland droht.
Das Schlimme daran: Es ist nicht immer Behördenwillkür, die zu einer solchen befremdlichen Situation führt. Oft geben das die Gesetze und Verordnungen her – bar jeglicher Vernunft. Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr setzt sich deshalb dafür ein, dass bei Geflüchteten, die sich gut in die Gesellschaft integriert haben, nicht nur die realitätsferne Rechtslage zum Tragen kommt, sondern der gesunde Menschenverstand. Seine Meinung: Es bedarf einer Ombudsperson, die darüber verfügt. Der Freundeskreis hat deshalb Bundestagskandidatinnen und -kandidaten angeschrieben, um sein Anliegen zu erläutern und um darum zu bitten, sich für eine solche Ombudsperson einzusetzen. Hier das Schreiben im Wortlaut:
Titelfoto: Tim Reckmann / pixelio.de
Wunsch des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr: Dass seine Idee mit der Ombudsperson aufgegriffen und für gut befunden wird.
„Wenn sich Vertreter von Helfergruppen für Flüchtlinge treffen, so wie jüngst auf Einladung des Ortenaukreises in Offenburg, dann empören sie sich regelmäßig über Entscheidungen von Behörden. Sie empören sich über solche Entscheidungen, die im Einklang mit den Vorschriften und gesetzlichen Bestimmungen sein mögen, mit dem menschlichen Gerechtigkeitsempfinden aber nicht in Einklang stehen. Jeder und Jede kennt solche Fälle, die Ohnmachtsgefühle auslösen und an der Motivation für das ehrenamtliche Engagement kratzen.
Beispiele für fehlendes Gerechtigkeitsempfinden
- Eine Bürgerin berichtet, dass ein Mann aus Äthiopien, der von ihr und ihrem Mann eine Wohnung bekommen und sich in sieben Jahren in Deutschland voll integriert hat, einen Abschiebungsbescheid bekam, obwohl er seit langem eine sichere Arbeit und mit einer ebenfalls geflohenen Frau ein Kind hat. Die Frau hat sich von ihm getrennt, weil sie befürchtet, nun ebenfalls von Abschiebung bedroht zu sein.
- Einer Flüchtlingsfamilie (der Mann hat einen guten und sicheren Arbeitsplatz) wird der Zuzug in die Stadt des Arbeitsplatzes verweigert, weil die Aufnahmequote für Geflüchtete erfüllt sei – obwohl der Arbeitgeber für eine Wohnung gesorgt hätte, die nur durch sein Engagement und nur für diese Familie eingerichtet und renoviert worden wäre.
- Ein Flüchtling wird in einen Wohnort verlegt, der so weit von seinem guten Arbeitsplatz entfernt ist, dass er diesen aufgeben muss und wieder dem deutschen Steuerzahler zur Last fällt.
- Eine nigerianische Familie, seit 2015 in Deutschland, hat hier inzwischen drei Kinder bekommen. Nachdem die Asylanträge beider Eltern abgewiesen waren, bekam der Mann wegen seiner handwerklichen Ausbildung eine Ausbildungsduldung. Trotz großer Anstrengungen einschließlich individuellem Sprachunterricht über mehr als drei Jahre schaffte der Mann die sprachlichen Hürden der Prüfung an der Gewerbeschule nicht. Sein Chef schätzt ihn als Arbeiter und will ihn auch gerne ohne Gesellenprüfung beschäftigen. Die Familie lebt in ständiger Angst vor der Abschiebung.
Menschlichkeit bleibt auf der Strecke
Beispiele wie diese gibt es zuhauf. Dahinter stecken nicht nur böswillige Personen wie die Mitarbeiterin einer Ausländerbehörde, die (in Anwesenheit des deutschen Helfers!) ohne Schamgefühl erklärt: „Wenn der sich jetzt einen Anwalt nimmt, setzt er seinen Antrag auf Einreise seiner Frau durch. Ich lehne es aber mal ab. Das dauert dann ganz schön lang.“
Und es sind auch nicht nur Fälle von Ermessensentscheidungen, in denen das Ermessen mitleid- und gnadenlos gegen das Interesse des Geflüchteten ausgeübt wird. In einer großen Zahl von Entscheidungen lassen die rechtlichen Bestimmungen der entscheidenden Amtsperson keine Wahl; sie muss so entscheiden.
Dabei bleibt nicht nur das Wohl einer geflüchteten Person oder einer ganzen Familie und oft auch die Menschlichkeit auf der Strecke. Häufig ist das Ergebnis auch zum Nachteil des deutschen Steuerzahlers – so, wenn trotz fehlender Möglichkeit der Abschiebung ein Arbeitsverbot für einen Flüchtling in Arbeit ausgesprochen wird. Das Ergebnis ist, dass nun für Unterkunft und Unterhalt wieder öffentliche Leistungen notwendig sind. Oder es schadet dem Betrieb, der einen tüchtigen und dringend benötigten Arbeitnehmer ziehen lassen muss.
Zweifel an der Vernunft staatlicher Stellen
Das Unverständnis bei über den Fall informierten Personen (Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Nachbarn, Bekannten und Freunden) unterminiert das Vertrauen in die Vernunft unseres behördlichen Handelns. Und auch nicht Betroffene erfahren kopfschüttelnd immer wieder durch Zeitungsberichte von solchen unverständlichen Schicksalen und zweifeln an der Vernunft staatlicher Stellen.
Gründe für diese schwer zu akzeptierenden Ergebnisse sind zum Einen die nach wie vor lange Dauer der Verfahren zwischen Asylantrag und der endgültigen Ablehnung bzw. dem Ausweisungsbeschluss. Aber auch die früher getroffenen staatlichen Entscheidungen, die in die internationalen Übereinkommen und die deutschen Verordnungen eingegangen sind, führen immer wieder zu untragbaren Ergebnissen. An vorderster Stelle steht hier das Dublin-Abkommen.
Die Hürden für eine Korrektur durch die Härtefallkommission oder den Petitionsausschuss des Landtags sind hoch; die Aussicht auf Erfolg minimal, die Zahl der erfolgreichen Anträge äußerst gering.
Eine Ombudsperson kann Gutes bewirken
Es bedarf einer Institution, die auf Hinweise rasch den Sachverhalt erfassen und eine korrigierende Entscheidung treffen kann. Es müsste eine Person sein, die nicht an die festgelegten Verfahrensweisen gebunden ist, sondern allein aufgrund von Umständen des Falles wie Grad der Integration, Betroffenheit von schulisch integrierten Kindern, sprachlichen Problemen im Falle der Abschiebung u.a.m. der Menschlichkeit zum Recht verhelfen kann.
Eine solche Ombudsperson wird mit Sicherheit keine Lawine von umwälzenden Revisionsentscheidungen verursachen. Sie kann aber, im Interesse aller Beteiligten, die Korrektur krasser Ungerechtigkeiten bewirken. Im Gegensatz zu all den haarsträubenden hochrangigen Fällen, in denen juristische Winkelzüge und behördliches Versagen die Abschiebung krimineller Geflüchteter verhindern, könnte hier auf niedriger Ebene Gutes bewirkt werden. Es braucht eine Ombudsperson!“
Weitere Informationen zum Thema
- „Ich bin bestürzt über den Abschiebungsbescheid“
- „Bürokratie kann tödlich sein“
- Auch die Badische Zeitung und die Lahrer Zeitung berichten über die Forderung des Freundeskreises nach einer Ombudsperson.
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