Rund 190 Flüchtlinge können sich über ein Fahrrad freuen

Mitte September 2022 ist das Fahrrad-Projekt des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr zu Ende gegangen. Begonnen hatte es Anfang Mai mit den Planungen. Es ging dabei darum, die Voraussetzungen zu schaffen, um ein solches Projekt überhaupt verwirklichen zu können. Benötigt wurde eine Möglichkeit, um die gebrauchten Fahrräder der Spenderinnen und Spenden lagern zu können. Dann war ein Raum erforderlich, in dem die Fahrräder überprüft und wieder fahrtüchtig gemacht werden konnten. Es bedurfte aber auch der Menschen, die bereit waren, sich an dieser Aktion zu beteiligen.

Und da kam das Café international im interkulturellen Garten ins Spiel. Es wurde unter anderem auch von türkischen Flüchtlingen besucht, die händeringend nach einer ehrenamtlichen Aufgabe suchten. Als zwei von ihnen signalisierten, dass die Reparatur von Fahrrädern ihr Hobby sei, konnte es mit dem Projekt losgehen. Anfang Juni wurde die Öffentlichkeit in der Lokalpresse und in sozialen Medien erstmals dazu aufgerufen, gebrauchte, aber gut erhaltene Fahrräder zu spenden. Die Resonanz war überwältigend. Das Ziel, Geflüchtete und Migranten günstig mit einem fahrbaren Untersatz zu versorgen, konnte in Angriff genommen werden.


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Um Fahrräder hat sich das Projekt des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr fast vier Monate lang gedreht.


Fast 220 gespendete Fahrräder

Viele Spenderinnen und Spender erzählten davon, dass sie ihr Fahrrad nach der Anschaffung eines E-Bikes nicht mehr benutzt haben. Es staube im Keller vor sich hin oder benötige unnötig Platz in der Garage. Das Rad zum Sperrmüll zu stellen, hätten sie aber auch nicht übers Herz gebracht. Aus der Zeitung hätten sie dann von der Spendenaktion erfahren. Die Vorstellung, einem anderen, bedürftigen Menschen mit ihrem Fahrrad dazu zu verhelfen, in der Stadt und in der Umgebung mobiler zu sein, habe ihnen gefallen.

Die reparierten Fahrräder stoßen auf das rege Interesse von Geflüchteten und Migranten. – Foto: Michael Wendling

Entsprechend fiel auch das Ergebnis der Spendenaktion aus. Insgesamt waren es fast 220 Fahrräder, die Männer und Frauen für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatten. Die Spenderinnen und Spender kamen nicht nur aus Lahr und den Stadtteilen, sie kamen aus dem ganzen Schuttertal, aus dem Ried, aus Friesenheim und Hohberg, aus Ettenheim und Kippenheim. Gut zehn Prozent der Räder mussten direkt vor Ort abgeholt werden, weil die Menschen keine Möglichkeit sahen, ihre Spende persönlich in der Werkstatt des Freundeskreises im Schlachthof Jugend & Kultur abzugeben. Einige lieferten dort auf Anhängern sogar gleich mehrere Räder an. Neben Damen- und Herrenrädern wurden auch Kinder- und Jugendräder gespendet.

Gut 2000 Euro erwirtschaftet

Von den 220 Rädern wurden zehn gestohlen, als sie noch auf einem Nachbargrundstück des Schlachthofareals standen. Fünf stehen jetzt noch in der Werkstatt. Rund 15 Räder waren so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr instand gesetzt werden konnten. Das heißt, es müssen rund 190 Räder gewesen sein, die an den Mann, die Frau, das Kind und den Jugendlichen gebracht worden sind. An erster Stelle waren es Flüchtlinge aus der Ukraine, die sich auf dem Schlachthof-Gelände ein Rad besorgt haben. Dann folgten Türken und Syrer. Auch Geflüchtete anderer Nationalitäten waren in kleinerer Zahl vertreten.

In der Fahrrad-Werkstatt werden die gespendeten Räder erst einmal auf ihre Fahrtüchtigkeit hin überprüft. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Den fahrbaren Untersatz gab es übrigens nicht kostenlos. Der Freundeskreis Flüchtlinge in Lahr hat sich da am Friesenheimer Modell orientiert. Das sieht vor, für die Räder – je nach Alter und Qualität – 10 bis maximal 25 Euro von Geflüchteten und Migranten zu verlangen. Kinderräder wurden kostenlos abgegeben. Das Werkstatt-Team hat auf diese Weise gut 2000 Euro erwirtschaftet. Das Geld ist auf ein Spendenkonto des Freundeskreises überwiesen worden. Und der kann damit das Grundschulprojekt finanzieren, also Honorarkräfte bezahlen, die Migrantenkindern Nachhilfe in Deutsch geben.

Nachlassende Nachfrage

Dass so viel Geld zusammenkommen würde, war anfangs nicht absehbar gewesen. Das lag zum einen an der hohen Zahl der Fahrrad-Spenden. Hinzu kommt, dass ein sehr großer Teil der Räder eine sehr gute Qualität aufwies, also im 25 Euro-Segment lag. Zudem wurden neben den Fahrrädern auch viele Ersatzteile gespendet. Hinzu kam, dass das türkische Reparatur-Team Räder, die nicht mehr verkehrstüchtig waren, konsequent ausschlachtete. Das führte dazu, dass das Ersatzteillager kräftig anwuchs und kaum Ersatzteile gekauft werden mussten. Neben Fahrrädern wurde aber auch Zubehör gespendet – Helme, Körbe, Kindersitze und Anhänger für Kleinkinder, die für zwei, drei Euro abgegeben wurden.

Das Team der Fahrrad-Werkstatt bereitet sich auf den Ansturm an Flüchtlingen auf die Räder vor. – Foto: Michael Wendling

Anfang September war bereits zu spüren, dass die Nachfrage nach Rädern bei den Flüchtlingen nachließ. Offenbar war der Bedarf weitgehend gedeckt. Immer weniger kamen in die Werkstatt. Auf der anderen Seite mussten die türkischen Reparateure wieder in ihre halbtägigen Deutschkurse nach Offenburg oder Freiburg. Zudem wollen die Hausaufgaben erledigt werden. Für die Fahrrad-Werkstatt blieb da keine Zeit mehr.

Fortsetzung im nächsten Jahr? Vielleicht!

Das Projekt ist in vielerlei Hinsicht sehr erfolgreich verlaufen. Das hat auch der Gastgeber des Freundeskreises so gesehen, das Team des Schlachthofs. Nach einem der letzten Arbeitstage in der Werkstatt waren die Fahrrad-Reparateure im Projektteil der Einrichtung zu Burger, Döner und Pizza eingeladen worden. Sie hätten in den Sommermonaten zu einem nicht unerheblichen Teil zum Image des Schlachthofs beigetragen, hieß es zur Begründung. Zahllose Menschen seien in dieser Zeit zum Schlachthof gekommen, um Räder abzugeben, zu erwerben oder reparieren zu lassen – ein beispielhaftes Engagement, so die Laudatio nach dem Essen.

Der Schlachthof gibt für das Fahrradteam Burger, Döner und Pizza aus. – Foto: Muhammed Ertekin

Ob es eine Fortsetzung der Aktion im nächsten Jahr gibt? Auch diese Frage tauchte auf. Werkzeug, Ersatzteile und die fünf Räder können in der kalten Jahreszeit in der Werkstatt des Schlachthofs lagern. Und wenn sich im Frühjahr genügend Ehrenamtliche finden, die Freude an der Reparatur von Fahrrädern haben, steht der Wiederaufnahme des Projekts nichts im Wege. Die kann dann sogar von einem Tag auf den nächsten erfolgen.

Weitere Informationen in der Badischen Zeitung