Eine Woche zuvor waren in Emmendingen 350 Menschen zur Demonstration gegen Rechts gekommen. 14 Tage zuvor waren es 5000 Demonstranten in Offenburg gewesen. Da war natürlich die Frage, wie viele Menschen am 22. Februar 2025 an der Demonstration in Lahr teilnehmen würden. Es waren nach Schätzungen der Polizei rund 700. Ein Jahr zuvor waren es 4000 gewesen.
Die rund eineinhalbstündige Kundgebung auf dem Rathausplatz zeichnete sich aus durch vier Redebeiträge aus unterschiedlichen Blickwinkeln, eine gute, teils heitere Stimmung und durch zum Thema passende Musikbeiträge. Die Organisatoren – drei Bürgerinnen und Bürger, die nur mit Vornamen in Erscheinung traten – zogen eine positive Bilanz dieser Veranstaltung. Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr hatte in einer Pressemitteilung zur Teilnahme an dieser Demonstration aufgerufen.
Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge
Demonstrantinnen und Demonstranten halten sich bei den Händen und tanzen zu den Klängen des Trios Kurdo.
Hauptredner war Michael Paul. Der Lahrer Schriftsteller hat mehrere historische Romane veröffentlicht, die in der Weimarer Republik und im Dritten Reich spielen. Flagge zu zeigen sei so wichtig wie nie zuvor, sagte er. „Wir leben heute in verdammt schwierigen Zeiten, die uns alle überfordern“, räumte der Redner ein. Das hat zur Stärkung der politischen Ränder geführt. Man dürfe aber nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man dürfe nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Denn eine Lawine könne niemand mehr aufhalten. „Deshalb müssen wir handeln, alle miteinander“.

Die AfD radikalisiere sich zunehmend , Tag für Tag. Die Brandmauer sei ein notwendiger Teil der wehrhaften Demokratie, so Paul. Sie sei so wichtig wie nie zuvor. „Mit Faschisten stimmt man nicht gemeinsam ab, Herr Merz“, rief er an die Adresse der CDU gewandt aus.
Das Problem AfD sei aber nicht einmal die Frau Weidel, der Herr Chrupalla oder dieser Herr Höcke. So weit müsse man gar nicht gehen. Im Lahrer Gemeinderat gebe es eine AfD-Fraktionsvorsitzende, die Migranten aus der Ukraine als blau-gelbes Kriegsungeziefer bezeichnet. „Das ekelt mich an“, sagte Paul. Das eigentliche Problem seien die Wählerinnen und Wähler, die diese Partei wählen. Der Redner erinnerte daran, dass es in Lahr in manchen Wahlbezirken einen AfD-Stimmanteil von mehr als 50 Prozent gebe.

„An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern“, zitierte der Redner Erich Kästner. Deshalb sei es gut, an einer Demo wie dieser teilzunehmen. Paul machte aber darauf aufmerksam, dass sich allein dadurch nicht viel ändere: „In den vergangenen drei Jahren hat die AfD ihren Stimmanteil verdoppelt“, sagte der Schriftsteller. Man habe bislang also nichts erreicht. Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit. Sie lebe vom Mitmachen. In der polarisierten Gesellschaft müsse man wieder miteinander reden. „Wir müssen uns wieder besser zuhören und verstehen“, so sein Rezept.
Im Programm der Kundgebung folgten drei Rednerinnen, denen zwei Dinge gemeinsam sind: Sie sind Migrantinnen und engagieren sich im Interkulturellen Beirat der Stadt Lahr. Sana Ahmad Hussein Alyaaqubi betonte, sie wende sich gegen jede Form von Rassismus und trete für Vielfalt, Toleranz und Respekt ein. „Wer erlebt hat, was ich erlebt habe, der weiß, wie es ist, dass die Menschenrechte gewahrt werden, dass nicht ein Diktator oder das Recht des Stärkeren herrschen“, betonte die Rednerin. Und: „Wir wissen, wie wertvoll ein Rechtsstaat ist. Auch wir wollen, dass alle Straftaten verfolgt und bestraft werden.“

Auch ihr Appell zum Schluss ihrer Ausführungen fand reichlich Applaus: „Lasst uns Menschen sein, die aus der Geschichte gelernt haben, Menschen, die wissen, dass Rassismus, Ausgrenzung und soziale Ungleichheit in unserer Welt keinen Platz haben dürfen.“
Sonya Shamsani, die nächste Rednerin, sprach in einem sehr persönlich gehaltenen Beitrag über erste Erfahrungen mit Rassismus bereits im Kindergartenalter – und die machte sie in der eigenen Familie. Als junges Mädchen hatte sie im Kindergarten einen dunkelhäutigen Jungen kennengelernt, mit dem sie gerne spielte. Ihre Mutter habe allerdings Vorbehalte gegen den Jungen gehabt. Viele Jahre später begegnete die Mutter dem Dunkelhäutigen wieder. Inzwischen war er erwachsen geworden und Arzt im Krankenhaus. Dort kümmerte er sich rührend um den alten Vater der Mutter, der im Sterben lag.
Es waren das Anderssein und die Unwissenheit, weshalb die Mutter mit Rassismus reagiert habe, erläuterte Sonya Shamsani. Heutzutage denke sie völlig anders. „Deshalb ist es so wichtig, unseren Kindern Verständnis, Toleranz und Respekt vorzuleben“, so ihre Schlussfolgerung.

„Deutschland habe eine stabile Demokratie aufgebaut, doch die sei jetzt in Gefahr“, sagte Sascha Valter, Deutsche mit ukrainischen Wurzeln. In der Ukraine kämpften die Menschen für eben diese Werte – sie opferten ihr Leben und ihre Gesundheit, damit Demokratie und Freiheit überleben. Die russische Regierung habe es nicht geschafft, die Ukraine durch innere Destabilisierung oder Drohungen zu unterwerfen. Die Versuche, Deutschland von innen heraus zu destabilisieren, liefen allerdings auf Hochtouren.
Auch Sascha Valter ging auf das Thema „Kriegsungeziefer“ ein, eine Äußerung, die von der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat stammt. „Vielleicht wollte sie, dass wir uns erniedrigt, fremd und ausgeschlossen fühlen“, mutmaßte die Rednerin. „Doch dieses Ziel hat sie nicht erreicht – denn wir sind selbstbewusst, wir wissen, wer wir sind, und lassen uns weder destabilisieren noch emotional manipulieren.“

Im Namen aller Ukrainerinnen und Ukrainer bedankte sich Sascha Valter bei all jenen, die ihre Landsleute durch Stellungnahmen und Leserbriefe verteidigt und unterstützt hätten. „Dieser Beistand bedeutet uns viel.“
Neben Reden gab es auch Musik. Dafür sorgte die Flüchtlingsband The Worlderers, die Rapper von Moe.x und das Trio Kurdo. Zu den Klängen des Trios nahmen sich Demonstrantinnen und Demonstranten bei der Hand und tanzten, wie es zu den Klängen dieser Musiker üblich ist.
- Zu dieser Demonstration gibt es auch ein Fotoalbum.
- Über die Demonstration berichten auch Badische Zeitung und Lahrer Zeitung.
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