Brückenschlag: Geflüchtete nicht sich selbst überlassen

Zielgruppe des neuen Projekts des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr unter dem Titel Brückenschlag sind die Geflüchteten in der Rainer-Haungs-Straße auf dem Lahrer Flugplatz. Sie leben dort in der Anschlussunterbringung der Stadt Lahr – in Containern. Bei dem Projekt geht es darum, die rund 80 Männer nicht sich selbst zu überlassen und ihnen Bildungsangebote zu machen. Die Kosten dafür belaufen sich auf rund 5000 Euro.

Die Summe kann der Freundeskreis nicht alleine stemmen, deshalb bewirbt er sich damit bei der Initiative Stadtgulden der Stadt Lahr. Die Entscheidung, ob das Projekt Brückenschlag dabei Berücksichtigung findet, fällt erst im Oktober dieses Jahres. Bis dahin wollen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des Freundeskreises kräftig die Werbetrommel rühren.


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Der Weg führt für die Geflüchteten auf dem Lahrer Flugplatz ins Ungewisse – trotz des Brückenschlags.


Worum geht es beim Projekt?

Es geht um Menschen, die in eine perspektivlose Situation geraten sind, konkret um 80 männliche Geflüchtete auf dem Flugplatz. Sie kommen hauptsächlich aus Gambia, Togo und Guinea. Ursprünglich arbeiteten die meisten von ihnen und schicken ihr Geld nach Afrika an ihre Familien. Rund 90 Prozent müssen aber früher oder später mit einem Arbeitsverbot rechnen. 50 bis 60 Prozent sind schon ohne Beschäftigung. Theoretisch sollen sie alle abgeschoben werden, aber wann? Keiner kennt die Antwort.

Die Container-Siedlung auf dem Flugplatz Anfang Februar 2016, die zu dieser Zeit noch eine Übergangsunterkunft des Landkreises für Flüchtlinge war. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Welches sind die Ziele dieses Projekts?

Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr möchte diesen Männern, denen sonst nichts angeboten wird, eine Fortbildungsmöglichkeit geben. Organisationen in allen Ländern, seien es die Heimatländer oder auch die Länder der Zuflucht, attestieren Bildung als wichtigen Faktor für Berufsaussichten. „Wir möchten deshalb zwei PC-Kurse in der Flüchtlingsunterkunft anbieten, probeweise auf ein Jahr befristet“, beschreibt Evelyne Bayer, die Initiatorin des Projekts, das Ziel.

Die Kurse sollen auf Französisch oder/und Englisch gehalten werden, um die Motivation der Teilnehmer zu erhöhen. Sie sollen die Schreib- und Lesefähigkeiten der Lernenden weiterentwickeln, damit sie ihre Kompetenzen im Hinblick auf eine zukünftige Arbeit zu Hause steigern können. Die Männer können PC-Kenntnisse in Word und Excel erwerben und einfache Tätigkeiten wie eine Internet-Suche oder das Führen eines Telefongesprächs erlernen.

Warum ist das Projekt unterstützenswert?

Für jene Geflüchteten, die von einem Arbeitsverbot betroffen sind und keine Aussicht auf eine Zukunft in Deutschland haben, gibt es drei Möglichkeiten: entweder untertauchen oder Leistungen des Migrationsamts in Anspruch nehmen und sich auf die Rückkehr in die Heimat vorbereiten. Das Projekt Brückenschlag zielt auf die zweite Option. „PC-Kenntnisse können diesen Männern bessere Arbeitschancen eröffnen, in welchem Land auch immer sie leben“, sagt Evelyne Bayer. Außerdem hätte ein solches Angebot eine präventive Wirkung in der Stadt Lahr, auch hinsichtlich sozialer Spannungen. Denn die Gefahr der Beschaffungskriminalität wachse.

Container neben Container – Container über Container – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Wofür werden die Stadtgulden-Mittel verwendet?

Nach Rücksprache des Freundeskreises mit Bürgermeister Guido Schöneboom stellt die Stadt für das Projekt einen Raum mit Internetanschluss in der Flüchtlingsunterkunft auf dem Flugplatz zur Verfügung und steuert eine Grundausstattung an Möbeln bei. Der Unterricht wird ehrenamtlich gehalten.

Ferner muss noch Folgendes angeschafft werden: sechs Laptops, Word- und Excel-Software, Whiteboard, Drucker, Beamer, Druckerpatronen, Stifte, Papier und Material zum Schutz vor Corona: Plexiglas Trennwände, Hygienetücher.

Wie ist das Projekt entstanden?

Evelyne Bayer hat das Projekt Brückenschlag zusammen mit dem Integrationsmanager Andri Peter entwickelt. Peter betreut die derzeit rund 80 Männer in der Flüchtlingsunterkunft auf dem Flugplatz, für deren Unterbringung die Stadt zuständig ist. Peter hatte in einer Online-Sitzung des Freundeskreises auf die Gefahr hingewiesen, dass die Bewohner der Unterkunft ohne sinnvolle Beschäftigung in die Kriminalität abgleiten könnten.

In der Diskussion darüber, ob es sich „lohnt“, diesen Menschen ohne Perspektive etwas zu bieten, waren sich die Teilnehmer einig, dass man sie in ihrer aussichtslosen Situation nicht allein lassen dürfe. Das Projekt bekam also die Rückendeckung des Freundeskreises. Auch folgende Überlegung fand dabei Anklang: Sollte sich herausstellen, dass die Geflüchteten andere oder zusätzliche Bedürfnisse haben, sollen sie im Rahmen des Projekts – soweit es möglich ist – Berücksichtigung finden.

Essen gab es für die Geflüchteten im Jahr 2016 in der Mensa. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Was ist eigentlich der Stadtgulden?

Der Stadtgulden Lahr ist ein Bürgerbudget, mit dem gute Ideen aus der Bürgerschaft schnell und unkompliziert umgesetzt werden sollen. Dafür sind für drei Jahre je 100 000 Euro im städtischen Haushalt vorgesehen. Konkret geht es beispielsweise um die Verbesserung des Zusammenlebens in der Stadt oder um die Verschönerung des Wohnumfelds. Alle Lahrerinnen und Lahrer mit 14 und mehr Jahren können Projektvorschläge einbringen und am Tag der Entscheidung darüber abstimmen. Pro Projekt gibt es maximal 10 000 Euro.

Nach der Bewerbungsfrist prüft die Verwaltung, ob die eingebrachten Vorschläge umsetzbar sind. Alle Vorschläge, die die Kriterien der Machbarkeits-Prüfung erfüllen, gehen in die Abstimmung. Die findet am 16. Oktober 2021 statt. Die Projekte, die gewinnen, sollen möglichst binnen eines Jahres umgesetzt werden. Jakob Crone, E-Mail stadtgulden@lahr.de, Tel. 07821 / 991 00 51, ist der Koordinator des städtischen Projekts.

Zum Projekt der Stadt Lahr gibt es auch die entsprechende Münze, den Stadtgulden. – Foto: Stadt Lahr

Wie wird beim Stadtgulden abgestimmt?

Über die vorgeschlagenen Projekte des Stadtguldens kann online abgestimmt werden. Wer das vorhat, muss sich bis spätestens 30. September 2021 auf der Stadtgulden-Website registrieren. Die abstimmungsberechtigten Personen erhalten Anfang Oktober einen individuellen Freischaltcode per Post nach Hause. Damit ist die Online-Abstimmung möglich. Wer bereits 2019 – bei der ersten Stadtgulden-Aktion – ein Benutzerkonto für die Online-Abstimmung angelegt hat, kann die Daten für die Abstimmung 2021 übertragen.

Wer sich nicht online registrieren und nicht an der Online-Abstimmung teilnehmen will, kann die insgesamt fünf Stimmen am Samstag, 16. Oktober 2021, von 10 bis 17 Uhr in der Mehrzweckhalle im Bürgerpark abgeben. In diesem Fall ist es wichtig, den Personalausweis dabei zu haben.


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