Der Freundeskreis beschäftigt sich mit dem Thema Kirchenasyl

Was bringt vier Mitglieder des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr dazu, sich abends zu einer Fahrt nach Offenburg aufzuraffen, um sozusagen die Schulbank zu drücken, obwohl sie schon „alte Hasen“ in der Flüchtlingshilfe sind? Die Antwort: Es ging um das für alle neue Thema des Kirchenasyls. Den Anstoß dazu, sich mit diesem Thema zu beschäftigten, hatte Michael Donner gegeben, Pfarrer der evangelischen Kreuzgemeinde, in deren Gemeindesaal das Cafè International in der kalten Jahreszeit zu Gast ist.

Denn zu ihm war ein Geflüchteter aus Syrien gekommen, der ihn um Asyl in seiner Kirche bat. Donner war zum ersten Mal mit einem solchen Fall konfrontiert, und verwies den jungen Mann deshalb an eine Freiburger Gruppe, die auf diesem Gebiet schon Erfahrungen gesammelt hatte. Aber eine solche Bitte würde wieder gestellt werden. Donner und seine Gemeinde mussten darauf vorbereitet sein und sich über die Voraussetzungen und Bedingungen – rechtlicher, finanzieller, logistischer Art – informieren.


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Das Haus an der Stiftskirche (rechts) ist Heimat für das Café international des Freundeskreises; es soll aber auch Geflüchteten Kirchenasyl gewähren.


Und über die personellen Erfordernisse: Mit Sprechern des Freundeskreises wurden die Möglichkeiten der Unterstützung eines solchen Vorhabens diskutiert. Im Freundeskreis, so erfuhr Donner, würden sich mit Sicherheit Menschen finden, die an dem Projekt mitzuarbeiten bereit wären.

Grund für die Fahrt nach Offenburg war also der Informationsabend zum Thema Kirchenasyl, zu dem Gabriella Balassa, Kirchenbezirksbeauftragte für Flucht und Migration, eingeladen hatte. Eingeladen hatte sie auch Mitglieder der Freiburger Ökumenischen Initiative Asyl, der Gruppe, die zusammen mit ihrer Pfarrerin Sarah-Louise Müller schon wiederholt Kirchenasyl organisiert hatte.

Sie berichteten eindrucksvoll über die von ihnen betreuten Menschen, über den Aufwand und die Organisation der notwendigen Arbeiten, vor allem aber über die persönliche Bereicherung, die sie durch diese Arbeit erfuhren. Große Hilfe erhielten sie durch den Haupt-Referenten des Abends, Jürgen Blechinger, Jurist und Mitglied des Diakonischen Werks Baden, der für Flucht und Migration zuständig ist und sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt hat. Von ihm erfuhr man zahlreiche praktische Tipps zur Durchführung des Kirchenasyls.

Für Geflüchtete kann das Kirchenasyl die Ultima Ratio sein, wenn eine Abschiebung droht. – Foto: pixabay.de

Vorab aber informierte er die rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer grundlegend über die Frage Was ist Kirchenasyl?

Das uralte, schon in vorchristlichen Kulturen geltende Prinzip war: Wer sich in einen heiligen Raum retten konnte, war vor Strafverfolgung geschützt. Es lebte nach der Diktatur in Deutschland wieder auf, obwohl der Rechtsstaat guten Rechtsschutz garantiert und im Grundgesetz-Artikel 16a das individuelle Recht auf Asyl Verfassungsrang hat.

Der Grundgedanke beim Kirchenasyl war (und ist): Die Menschlichkeit gebietet, dass es auch dann, wenn nach dem Anhörungs- und Entscheidungsverfahren inklusive Ausschöpfung des Rechtswegs, noch der Eindruck besteht, dass Fehler gemacht wurden, dass bei Berücksichtigung aller Umstände „es einfach nicht sein kann“, dass ein Mensch abgeschoben wird, dass es da eine Möglichkeit geben muss, diese Abschiebung zu verhindern.


Ein fiktiver Härtefall

Familie N. aus Nigeria lebt seit vier Jahren in Deutschland. Cyrus hat seit zwei Jahren einen guten Job in einem holzverarbeitenden Betrieb. Blessing, seine Frau, verdient stundenweise Geld als Putzhilfe, seit ihr in Deutschland geborenes Kind Timothy in die Kita geht. Sie sprechen inzwischen gut Deutsch, obwohl es keinen Platz in einem Kurs für sie gegeben hatte. Die Familie ist in der Offenburger Umlandgemeinde, in der sie eine Wohnung gefunden haben, gut integriert. Blessing trifft sich allwöchentlich mit Frauen in einem Willkommenscafé und arbeitet dort in der Küche und bei der Bewirtung mit. Cyrus ist Mitglied einer Handballmannschaft. Jetzt, zum Entsetzen aller im Dorf wie auch des Arbeitgebers, soll die Familie ausgewiesen werden, weil der Asylantrag endgültig rechtskräftig abgelehnt wurde.

Tatsächlich führte die Mehrzahl der Fälle von Kirchenasyl zum Erfolg, gelang es in der durch das Kirchenasyl gewonnenen Zeit, mittels Gesprächen mit Behörden und Gerichten, durch Öffentlichkeitsarbeit und mit Hilfe vieler Stimmen von Menschen, die sich für den Asylsuchenden einsetzten, ein Bleiberecht zu erwirken.

Laut Blechinger ist die Zahl dieser „typischen“ Fälle von Kirchenasyl stark zurückgegangen, was wohl mit der Möglichkeit der Anrufung der sogenannten Härtefall-Kommission zusammenhängt, die ja genau für eine solche Korrektur vorgesehen ist.

Zahlenmäßig dominierend und auch stark am Ansteigen ist ein neuer Fall von Härten, die das Kirchenasyl erfordern. Sie sind verursacht durch die zunehmende Tendenz, das Asylrecht einzuschränken. Vor allem das sogenannte Dublin-Abkommen spielt dabei eine große Rolle. Das ist eine Vereinbarung der EU-Länder, die besagt, dass der Asylantrag eines Geflüchteten nur in dem Land gestellt werden kann, in dem er den Boden der EU betreten hat.

Das Haus an der Stiftskirche ist auch eine Kirche, wie der Altar im Gemeindesaal zeigt. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge

Deutschland ist dabei fein raus: Es kann, weil es keine EU-Außengrenzen hat, praktisch alle hier aufgegriffenen Geflüchteten an die Länder mit Außengrenzen zurück überstellen, durch die sie nach Deutschland gekommen sind. Das sind aber auch Länder wie zum Beispiel Bulgarien, in denen die Geflüchteten unmenschlicher Unterbringung und Behandlung ausgesetzt sind. Es gibt auch Länder, die Geflüchtete in Herkunftsländer abschieben, wo ihnen Gefahr für Leib und Leben droht. So geschieht es zum Beispiel mit Syrern in Bulgarien.

Wer es erreicht, dass der rechtlich vorgesehene Zeitraum für die Überstellung verstrichen ist, hat dann die Chance, dass im nun zuständigen Deutschland seine Asylgründe wesentlich gründlicher untersucht und wohlwollender beurteilt werden.

Die Materie ist höchst kompliziert und hat noch viele weitere Aspekte. Die von Blechinger und anderen geschilderten Fälle, von denen auch immer wieder in der Zeitung zu lesen ist, „schreien zum Himmel“ ob ihrer menschlichen Tragik und von vielen empfundenen grausamen Ungerechtigkeit. Sie sind Motivation genug, sich auch in Lahr darauf vorzubereiten, die Kirchengemeinde zu unterstützen, wenn der Ältestenkreis sich in einem Fall für die Gewährung von Kirchenasyl ausspricht.

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