Kochen, Kunst, Kultur und noch viel mehr

Im September 2022 war klar: Die Fahrrad-Werkstatt des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr muss schließen. Für viele der türkischen Flüchtlinge, die in der Werkstatt gearbeitet hatten, begann nach den Sommerferien ein neuer Deutschkurs. Und das bedeutete: keine Zeit mehr unter der Woche, volle Konzentration auf das Erlernen der deutschen Sprache. Zudem hatte es auch den Anschein, dass der Bedarf an Fahrrädern allmählich gedeckt war, nachdem fast 200 gebrauchte Exemplare an Flüchtlinge übergeben worden waren.

Der harte Kern der Fahrrad-Gruppe wollte allerdings auch weiter beieinander bleiben, sich auch künftig regelmäßig treffen, ein neues Projekt auf die Beine stellen. Nur eben am Wochenende, am liebsten am Samstagvormittag. Gemeinsam kochen war die Idee. Aber dabei blieb es nicht. Im Verlauf der Wochen und Monate weitete sich das Spektrum dessen, was man gemeinsam unternahm. Die Unternehmungen sind dabei nur das Mittel zum Zweck, wie sich zeigte. Der eigentliche Zweck besteht darin, sich auf Deutsch unterhalten zu können.


Titelfoto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

Aus türkischen Zutaten entsteht ein ausgiebiges türkisches Frühstück mit Bestandteilen, die gekocht werden.


Muhammed, Mustafa und Tachsin (von links) am Herd. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge

Jetzt aber erst einmal zum Thema Kochen. Die Idee dazu entstand nicht zuletzt wegen des internationalen Suppenfests am 15. Oktober 2022 im Rahmen der interkulturellen Tage in Lahr. Auf Seiten der türkischen Flüchtlinge bestand reges Interesse, sich daran zu beteiligen – mit typischen Suppen aus der Heimat. Die Zeit bis zum Fest in der Mehrzweckhalle im Bürgerpark wurde dazu genutzt, die Suppen im Haus des interkulturellen Gartens zur Probe zu kochen und die Rezeptur zu verfeinern.

Selahaddin Benli hatte sich für eine Kelle Paça entschieden. Das Besondere daran: Es sind Lammköpfe, die das Fleisch für die Suppe liefern. Eine Tarhana zu kochen, hatte sich Mustafa Onur Demirtas vorgenommen. Grundlage der Suppe ist Gemüse, das im Sommer vergoren, getrocknet und zu einem Mehl verarbeitet wird, damit man in der kalten Jahreszeit etwas Warmes zu essen hat. Und dann gab es auch noch eine Juvalama Gorbasi. Köchin Hadice Tasci Elmas sagt dazu: „Minze, Joghurt und Fleischbällchen geben dieser Suppe den besonderen Geschmack.“

Mustafa und Selahaddin (von links) beim Suppenfest – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge

Wer bei diesem kulinarischen Fest mit dem Schöpfen von Suppen trödelte oder gar zu spät kam, hatte das Nachsehen. Die Suppen, vor allem die türkischen, waren rasch vergriffen – und das, obwohl das Mindestvolumen von fünf Litern deutlich überschritten war. Schon eine Woche zuvor hatten sich die türkischen Suppenköche an einer kulinarischen Veranstaltung des interkulturellen Gartens beteiligt – wieder im Rahmen der interkulturellen Tage. Sie steuerten türkisches Fingerfood und türkischen Tee bei und hatten auch da schon ein Erfolgserlebnis.

Nach den interkulturellen Tagen stand das Thema Frühstück auf dem Programm. Es zeigte sich: Das türkische Frühstück ist unter anderem ein warmes Gericht mit typischer Wurst und gebratenen Tomaten samt Paprika und Knoblauch. Es hat aber auch kalte Bestandteile wie Sahne, Honig und Sesampaste. Fazit: Süß und Salzig liegen nah beieinander auf dem Teller.

Ina Breig-Köchling führt durch die Ausstellung von L’art pour Lahr. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge

Klar, dass es auch ein eher untypisches deutsches Frühstück gab, mit Obstsalat, Kräuterquark, Käse, Marmelade und Rührei. Wie man im Nachhinein hörte, ist Rührei und Kräuterquark inzwischen auch zum Bestandteil des türkischen Frühstücks geworden.

Und dann war da noch die Sache mit dem Kürbis – Hokaido, um genau zu sein. Daraus entstand, wie das in Deutschland im Herbst so üblich ist, eine kräftig gewürzte Kürbissuppe mit Brezelcroutons. Die Verarbeitung eines Kürbisses in dieser Weise war den Türken bislang unbekannt, kam aber gut an. Im Gegenzug bereiteten die Flüchtlinge aus der Türkei kandierten Kürbis zu, eine Süßspeise, die in ihrem Heimatland gerne zum Nachtisch serviert wird, in Deutschland aber weniger bekannt ist.

Kleine Wanderung auf den Schutterlindenberg – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge

Danach liefen die regelmäßigen Treffen am Samstag nicht mehr unter Kochprojekt, sondern es nannte sich Kochen, Kunst, Kultur. Das hängt damit zusammen, dass die Geflüchteten im Café international am Doler Platz Elise Voerkel kennengelernt haben, die Stadthistorikerin. Und die bot an, ihnen das Stadtmuseum zu zeigen. Das Angebot wurde gerne angenommen, an einem Tag, an dem im Haus auch die Ausstellung des Lahrer Karikaturisten Andreas Krellmann eröffnet wurde. So konnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden – Kunst und Kultur.

Und weil die Gruppe nun schon einmal beim Thema Kunst gelandet war, besuchte sie auch noch die aktuelle Ausstellung der Lahrer Künstlervereinigung L´art pour Lahr in der Obertorstraße. Ina-Breig Köchling übernahm es, die Besucher durch die Räume zu führen und ihnen die Arbeiten der Künstler unter dem Titel „Es ist, wie es ist“ zu erläutern.

Fahrräder – hier ein Foto aus dem Sommer 2022 – könnten ab Mai wieder eine Rolle spielen. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge

Auf dem Programm stand auch – Achtung Kultur – der Besuch eines weihnachtlichen Familiengottesdienstes in der Stiftskirche am Heiligen Abend eine kleine Wanderung auf den Schutterlindenberg – auf den Spuren des Lahrer Malers Wilhelm Wickertsheimer und schließlich noch ein Fotokurs. Auf dem Wunschzettel des Samstagstreffs war nämlich auch der Wunsch gestanden, mit dem Smartphone bessere Fotos machen zu können. Also befasste sich die Gruppe mit etlichen Regeln der Fotografie und probierte die auch gleich aus.

In den Gesprächen auf Deutsch sprechen die Türken übrigens immer wieder die Fahrrad-Werkstatt an. Offensichtlich besteht ein Interesse daran, den Betrieb in den wärmeren Monaten des Jahres wieder aufzunehmen. Einzige Voraussetzung allerdings: Es bedarf ausreichend Personals, um diese Aufgabe zu stemmen. Dann könnte es im Mai wieder losgehen.

Fahrrad-Werkstatt zahlt sich aus

Weil Muhammed und Mustafa im Sommer 2022 in der Fahrrad-Werkstatt im Schlachthof gearbeitet haben, können sie sich jetzt über eine eigene Wohnung freuen, in der auch noch Bilal wohnt. Und das kam so: Im Schlachthof lernten sie Taner kennen, einer aus dem Team der Jugend- und Kultureinrichtung – und mit türkischen Wurzeln. Taner wusste von einer Wohnung, die zu vermieten war. Und die Ehrenamtlichen aus der Fahrrad-Werkstatt haben sie über diese Verbindung dann auch tatsächlich bekommen.

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